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Schwarz auf weiß

■ Das Kreuzberg Museum bringt Licht in die „schwarze Kunst“

Seit über hundert Jahren befindet sich an der Grenze zwischen Kreuzberg und Mitte das Zentrum der Druck- und Verlagsindustrie. Das Kreuzberg Museum widmet sich jetzt diesem Thema: „Schwarze Kunst“ heißt die Veranstaltungsreihe, die am Sonntag mit einer Führung durch das Zeitungsviertel begann. Treffpunkt: Springerhochhaus an der Kochstraße, Abschluß vor dem taz-Gebäude auf der anderen Straßenseite. Eine Abfolge, die durchaus Sinn macht, wie der Historiker Andreas Hallen betonte. Schließlich ist die taz „ein Kind der Anti- Springer-Kampagne“.

Nur weniges ist im Krieg unzerstört geblieben. Die steinerne Eule, die einst als Wahrzeichen die Fassade des Ullsteinverlags zierte und heute vorm Eingang des Springerhochhauses steht, läßt die Hochzeit des Zeitungsviertels wieder aufleben: die Zeit der Jahrhundertwende bis zur Gleichschaltung der Presse durch die Nationalsozialisten.

Sechzig Tageszeitungen gab es damals in Berlin, von denen zwölf zweimal täglich erschienen. Von der Auflagenstärke der Berliner Morgenpost, mit 600.000 Stück am Tag (in den 30er Jahren), können Zeitungen heutzutage nur träumen. Als Standort war das Viertel deswegen so attraktiv, weil sich in nächster Nähe die Hauptpost, der Anhalter und Potsdamer Bahnhof und das Regierungsviertel befanden.

Zu Zeiten der Reichsgründung hatten Werbeanzeigen den Geruch des Obszönen – Rudolf Mosse brach mit dieser Konvention und errichtete ein weltweites Anzeigen-System. Ein Katalog aller bestehenden Zeitungen informierte den Inserenten über Auflagenstärke und politische Richtung des jeweiligen Blattes. Mit dem Erlös gründete Mosse das Berliner Tageblatt.

Vielfalt ist das Motto der gesamten Veranstaltungsreihe: Architekten, Historiker und Autoren halten Lesungen und nehmen Führungen vor. Der Schriftsteller und Feuilletonist Heinz Knobloch, der selbst eine Verlagsausbildung gemacht hat, wird ebenso von der Partie sein (am 29.8.) wie der Typograph und „Designpapst“ Erik Spikermann (am 1.9.). Ihm verdanken wir übrigens das gelb-graue BVG-Design. Die Verzahnung der schreibenden Zunft mit dem dazugehörigen Gewerbe werden Führungen durch Druckereien und Verlagshäuser dokumentieren. Am 7. September wird zum Beispiel die über 100 Jahre alte Buchbinderei Lüderitz und Bauer in der Wilhelmstraße besichtigt. Monika Götze

„Schwarze Kunst“ noch bis zum 16.9.; Anmeldung und Information: 25886233; Termine heute: 14 Uhr, Das neue Mosse-Medienzentrum, Treffpunkt Schützenstr. 18;

18 Uhr, Lesung Heinz Knobloch im Kreuzberg Museum.

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