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Atommüll in Gorleben um jeden Preis

■ Bundesgeologen nennen alternative Endlagerstandorte

Berlin (taz) – Wenn es um die Atomenergie geht, wird die Bonner Umweltministerin gerne persönlich. „Für mich“, sagte Angela Merkel gestern in Bonn, „gibt es keinen Grund, nach Ersatzstandorten zu suchen. Gorleben bleibt die erste Wahl.“

Für andere gilt das keineswegs. Die CDU-Ministerin hatte zwei Studien der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe der Presse vorzustellen. Gelesen hat sie die Papiere wohl nicht. Denn zur Eignung des Salzstocks von Gorleben äußern sich die Wissenschaftler nicht. Sie hatten 1990 von der Bundesregierung vielmehr den Auftrag erhalten, geologische Formationen im nunmehr wiedervereinigten Deutschland zu suchen, die als Alternativen zum Endlager von Gorleben in Frage kommen könnten.

Die Untersuchung ergab, daß auch im Westen Deutschlands der Salzstock im Wendland keineswegs das einzig denkbare Atomlager ist. Die Bundesanstalt zählt insgesamt neun andere Standorte auf. „Salzstrukturen“, so schreiben die Geologen, die „potentiell untersuchungswürdig“ seien, befinden sich in Waddekath (Sachsen-Anhalt), Gülze-Sumte (Mecklenburg- Vorpommern), Wahn und Zwischenahn (beide Niedersachsen).

Aber es muß nicht immer Salz sein. Auch das „bayrische Kristallin“ im Fichtelgebirge, dem nördlichen Oberpfälzer Wald und dem „Saldenburg Granit“ könnte den heißen Abfall aufnehmen. In Frage kommen außerdem der „Graugneiskomplex“ im Erzgebirge und im Vogtland, ein „Granulitkomplex“ in Sachsen und „Grandiorite“ in der Lausitzer und der Halle-Wittenberger Scholle. Betroffen wären die Ortschaften Radeberg-Löbau, Pulsnitz und Zawidow in Sachsen, Pretzsch-Prettin in Sachsen-Anhalt.

Laien staunen, Fachleute wundern sich jedoch nicht im geringsten. Die Bundesanstalt hat keinen einzigen dieser denkbaren Standorte tatsächlich untersucht. Sie hat schon vor ein paar Wochen erklärt, daß sie nur die vorhandene Literatur zu diesem Thema zusammengestellt habe. Weder der Literaturbericht über Salzformationen noch die Vorstudie über „nichtsaline Formationen“ lassen irgendeinen Schluß auf die Eignung der genannten Standorte zu. Dazu nämlich, sagt die Bundesanstalt, seien mindestens derart ausführliche Feldforschungen erforderlich, wie sie bisher nur in Gorleben in Angriff genommen worden sind. Sie haben dort seit siebzehn Jahren zu keinem Ergebnis geführt. Niklaus Hablützel

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