Wie im richtigen Leben
: Einfach borderline

■ Kaputte Ehe, gute Männerfreundschaft

Amtsgericht Bremen, ein Mann ist angeklagt, mit einem Baseballschläger 9.000 DM Sachschaden angerichtet zu haben. „Mutwillig“, steht in der Pressenotiz der Staatsanwaltschaft.

Da sitzt Dieter K., 32 Jahre alt, von grobschlächtiger Natur und mit Vollbart. Nicht irgendeine Wohnung hatte er im August 1994 kurz und klein geschlagen, sondern die des Geliebten seiner Noch-Ehefrau. Keinesfalls also „Mutwillen“, sondern ein schwindelerregender Fall von Schulden, Eifersucht und Gewalt.

Dieter war im Sommer 1994 brutal zusammengeschlagen worden, sein Knie ist seitdem zerstört. In der Folge kann der damals gutverdienende Kraftfahrer seinen Beruf nicht mehr ausüben und wird arbeitslos. Schließlich beginnt es auch in seiner Ehe zu kriseln. Abwechselnd haben beide Ehepartner Affären.

Und in der Nacht vom 26.8.94 eskaliert die Situation. Dieter K. demoliert nicht nur die Wohnung des Liebhabers seiner Frau. Als er dort „fertig“ ist, fährt er zurück in seine eigene Wohnung und zerstört auch diese. Das Zimmer seiner beiden Kinder ließ er jedoch unversehrt. Er könne in seiner Wut schon Unterschiede machen, versichert Dieter K. dem Richter, und die Kinder hätten mit der Sache nichts zu tun. Genauso meint er zu wissen, daß seine Frau niemals Angst vor ihm hatte, da sich seine Ausbrüche grundsätzlich „gegen Unbelebtes“ richteten.

Er habe manchmal diese „Ausklinker“, weiß er selbst zu berichten. Nachdem er sich im Anschluß an den Vorfall in psychiatrische Behandlung begeben hat, redet er fließend von seiner „borderline-Krankheit“. Doch der Auslöser für seine Tat damals waren die Beschimpfungen seiner Frau – eine gewöhnliche Ehekrise. „Sonst wäre nichts passiert“, da ist er sich sicher.

Auf die Frage des Richters, warum er denn einfach so einen Baseballschläger mit sich führe, antwortet der Angeklagte: „zur Verteidigung“. Nochmal wollte er sich nicht zusammenschlagen lassen.

Im Winter des Jahres 94 fand der Angeklagte heraus, daß seine Frau vermutlich das Sozialamt betrogen hatte, und zeigte sie an. Nun hofft er, daß sie „sich selbst begräbt“, und ihm die Kinder bleiben.

Dies alles sind aber nur die großen Dramen. Dieter K. ist nämlich der Campingplatz gekündigt worden, und die Bank verlangt monatlich 500 Mark Raten für ein Auto, daß er weder fahren noch verkaufen kann: Es ist kaputt.

All das veranlaßte den Angeklagten, Einspruch gegen die bereits verhängte Strafe – hundertzwanzig Tagessätze soll er abarbeiten – einzulegen. Hinzu kommen weitere dreißig Tage wegen eines anderen Verfahrens (Diebstahl und so), die noch ausstehen.

Als der Richter signalisiert, daß das Einspruchsverfahren auch in einem schlechteren Urteil enden könne, besonders dann, wenn seine Frau entsprechend negativ aussage, kapituliert Dieter K. und zieht seinen Einspruch zurück. Das Gerichtsverfahren ist damit zu Ende, bevor es formal eröffnet werden muß. Die Ehefrau hatte hinter der Glastür vergeblich mit ihrer Anwältin gewartet.

Dieter K. stürzt er auf den Flur, um dem Mann, dem er die Wohnung zerstört hat, mitzuteilen, daß sie gemeinsam nach Hause gehen können. Das heißt: er wollte mitgenommen werden. bs