■ Querspalte: Romantik als Sprengsatz
Das Gespenst des Ökoterrors geht um in Deutschland. Hans Dieter Barbier, Leiter der FAZ-Wirtschaftsredaktion, macht sich darüber große Sorgen. In der gestrigen Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung warnte er in einem Kommentar: Ökosteuern führen zu Ökoterror. Wie originell.
Als Terror empfindet Barbier aber nicht die Besteuerung an sich, den steuernd besteuernden Eingriff in Eigentum und Selbstbestimmung. Es geht ihm vielmehr um das gesellschaftliche Klima: „Der ökologische Virus geht um in Deutschland. Er löst Hysterie aus. Das Gespenst des Ökoterrors ist keine maßlose Übertreibung.“
Man erinnert sich an die 70er Jahre. Damals sah die FAZ in der Staatskritik von Böll und anderen „Sympathisanten“ bereits den Keim zum Terror der RAF gelegt. Und in den 90ern? Grass als Zeuge? Oder Thilo Bode als Sprengsatz? Irrtum – Ernst Moritz Arndt. Barbier hängt sich an den Greifswalder Romantiker des 18. und 19. Jahrhunderts: „Arndts komische Behauptung, dem deutschen Manne dürften niemals Bäume fehlen, könnte im Ozonalarm zum Steinhagel gegen Autofahrer werden.“
Diese Argumentationskette des klugen Kopfes hinter der FAZ ist ebenso frei assoziativ wie mutig. Und sie läßt Fragen offen. Denn welche Bedeutung hat die Ökosteuer in diesem Szenario? Ist sie die Ursache der vermeintlich traditionell deutschen Ökohysterie? Unter großen Mühen hat die taz gestern recherchiert, daß es zu Ernst Moritz Arndts Zeiten weder Autos noch Ökosteuerdebatten gab. Als bloßes Symptom der Hysterie kann sie aber kaum für andere Symptome wie die herbeiphantasierten Steinewerfer verantwortlich gemacht werden. Logik, wo bist du?
Was bleibt, ist die Aussage, daß Barbier offensichtlich Autofahrer nicht als echte deutsche Männer betrachtet, denn deutsche Männer ziehen Bäume vor. Das ist ganz, ganz doll provozierend. Hut ab, Herr Barbier, wirklich romantisch. Wieder was gelernt. Christian Rath
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