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Amnesty kritisiert Hinrichtungen

■ Die Menschenrechtsorganisation konnte erstmals mit einer offiziellen Delegation nach China reisen. Auf einer Pressekonferenz beklagt ai die zunehmende Represssion gegen Dissidenten. Sorge um inhaftierten W

Peking (dpa) – Die Menschenrechtsorganisation amnesty international hat die chinesische Führung bei ihrem ersten offiziellen Auftritt im Land anläßlich der Weltfrauenkonferenz mit Vorwürfen über Menschenrechtsverletzungen verärgert. Ein Sprecher des Außenministeriums sagte, amnesty hege „tiefe Vorurteile“ gegen China. Die Vorwürfe seien „grundlos“.

Amnesty-Generalsekretär Pierre Sane verurteilte auf einer Pressekonferenz die 16 Exekutionen, die unter anderem damit begründet worden waren, ein stabiles Umfeld für die Konferenz zu sichern: „Es ist einfach unglaublich, daß Menschen sterben müssen, um die Welt in Peking willkommen zu heißen.“ Seit 1994 habe die Unterdrückung von Dissidenten in China zugenommen. „Eine große Zahl ist festgenommen und wird ohne Anklage festgehalten.“ Die Menschenrechtsorganisation hat bei der Weltfrauenkonferenz, die am kommenden Montag in Peking beginnt, Beraterstatus.

Amnesty-Generalsekretär Sane machte klar, daß seine Organisation keine Aktionen in Peking plane. „Wir sind nicht hergekommen, um eine Kampagne gegen China zu führen. Aber wir beziehen Position und handeln, wann immer Menschenrechtsverletzungen begangen werden.“ Von der Aktionsplattform, die auf der am Montag beginnenden UN-Konferenz verabschiedet wird, erwartet er die „Universalität und Unteilbarkeit der Menschenrechte“. Viele Regierungen widersetzten sich Versuchen, Verpflichtungen der Menschenrechtskonferenz 1993 in Wien zu bestätigen oder darauf aufzubauen, sagte Sane. Der ai-Generalsekretär teilte ferner mit, daß seine Organisation die chinesische Regierung schriftlich um ein Gespräch in der Zeit der Weltfrauenkonferenz von 4. bis 15. September ersucht habe, eine Reaktion aber bisher nicht vorliege. Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Chen Jian, lehnte eine solche Begegnung jedoch später mit der Bemerkung ab, sie sei nicht Teil der Tagesordnung der UN-Konferenz.

Die Aufmerksamkeit richtete sich in Peking auf Wei Jingsheng, den prominentesten chinesischen Dissidenten, der seit eineinhalb Jahren in Behördengewahrsam verschwunden ist. Seine Schwester Wei Shanshan und die New Yorker Organisation „Human Rights in China“ forderten seine Freilassung. Der Sprecher des Außenministeriums nannte ihn jedoch einen Kriminellen, „der die Sicherheit des Staates gefährdet und Gesetze verletzt hat“. Nach seiner Freilassung 1993 nach knapp 15 Jahren Haft habe Wei Jingsheng Aktivitäten unternommen, „um die Regierung zu unterwandern“. Bis heute ist jedoch keine Anklage erhoben worden. Wei Shanshan, die in Deutschland lebt, hat sich in einem Brief an die Menschenrechtsgruppe dafür ausgesprochen, das Los ihres Bruders öffentlich zu machen, weil das Schweigen der Familie ihm nicht helfe.

Der US-Menschenrechtler Harry Wu forderte die Frau von US-Präsident Bill Clinton auf, nur dann nach Peking zu reisen, wenn sie vorhabe, die dortigen Menschenrechtsverletzungen anzuprangern. Wu war am vergangenen Donnerstag wegen angeblicher Spionage in China zu fünfzehn Jahren Haft verurteilt und in die USA abgeschoben worden.

Frauen aus Osteuropa und der früheren Sowjetunion, die am Montag abend mit einem Sonderzug aus Warschau in Peking eintrafen, forderten international eine stärkere Einbeziehung in Bemühungen um die Beendigung von Konflikten und Kriegen. In einer von den Frauen formulierten Erklärung hieß es, derzeit würden Friedensverhandlungen von ranghohen männlichen Regierungsmitarbeitern beherrscht, die kaum Erfolge vorzuweisen hätten. Frauen seien die geborenen Vermittlerinnen, und dieses Potential sollte auch genutzt werden, sagte eine Sprecherin.

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