2.000 Männer ermordet?

■ UN-Blauhelme haben in Srebrenica offenbar mehr gesehen, als sie zugeben

Berlin (taz) – Die niederländischen Blauhelmsoldaten waren offenbar doch Augenzeugen von serbischen Verbrechen an den muslimischen Einwohnern und Verteidigern der Enklave von Srebrenica. Dies geht aus niederländischen Presseberichten hervor, die sich auf Aussagen von Blauhelmsoldaten stützen. Nach Angaben der Tageszeitung de Volkskraant ist zudem eine Liste mit den Namen von 239 „wehrhaften Muslimen“ aufgetaucht, die ein niederländischer Major den bosnischen Serben übergeben haben soll.

Verteidigungsminister Joris Voorhoeve war in diesem Zusammenhang vorgeworfen worden, die Aufdeckung serbischer Verbrechen bewußt verschleiern zu wollen. Das Verteidigungsministerium hatte immer wieder erklärt, die Berichte über das Abschlachten von Flüchtlingen und gefangenen Männern durch die bosnischen Serben stammten bislang nur von den Flüchtlingen selbst. Voorhoeve mußte inzwischen in einem Brief an das Parlament einräumen, daß wahrscheinlich 2.000 bis 3.000 Männer von den bosnischen Serben ermordet worden sind.

Das NRC/Handelsblad berichtete am vergangenen Wochenende, daß es im Besitz einer Videokassette ist, die eine serbische Hetzjagd auf fliehende Muslime zeigt. Auf der Kassette seien auch gefangene Muslime auf einem Feld bei Konjević Polje zu sehen. Das Blatt berichtete überdies, daß 17 niederländische UN-Soldaten in serbischer Begleitung von Milici nach Bratunac gebracht worden seien. Ein UN-Soldat wird mit den Worten zitiert, er habe „einen Lastwagen und einen Traktor mit einem Anhänger voller Leichen“ beobachtet. „Hunderte von Leichen in Zivilkleidung“ hätten mitten auf der Straße gelegen und die Weiterfahrt blockiert. „Aufgrund des fürchterlichen Gestanks“, so der Soldat, habe er gewußt, daß er sich nicht in einem Film befand. Selbst der neue serbische Bürgermeister von Srebrenica hat Exekutionen zugegeben.

Voorhoeve muß morgen im Parlament Rechenschaft über das bisherige Verhalten seines Ministeriums und der Armee ablegen. Die niederländischen Parteien fordern eine „totale Aufklärung“. Falls erforderlich, wollen sie eine parlamentarische Untersuchung einleiten. Das Verteidigungsministerium will die Soldaten ab dem 4. September erneut befragen. Den Soldaten war nach ihrer Rückkehr aus Srebrenica zunächst ein Maulkorb verpaßt worden. Anschließend hatte man sie in einen mehrwöchigen Urlaub geschickt. Die Gesellschaft für bedrohte Völker will bei einem Kongreß am Wochenende in Bonn versuchen, den Völkermord in Bosnien zu dokumentieren. gb