: Logik der Situation
■ Karl-Heinz Dellwo spricht in Zeit-TV
„Zeit-TV“, 22.40 Uhr, Vox
Trauermusik. Der Rückblick auf den Überfall endet mit Sequenzen von der Überführung der sterblichen Überreste Andreas von Mirbachs und Heinz Hillegaarts nach Deutschland.
Der Wirtschafts- und der Militärattaché der Deutschen Botschaft in Stockholm waren im April 1975 von einem sechsköpfigen Kommando der Roten Armee Fraktion erschossen worden. 26 RAF-Gefangene wollte das „Kommando Holger Meins“ aus bundesdeutschen Gefängnissen freipressen. Auch zwei der Angreifer, Andreas Wessel und Siegfried Hausner, starben nach der Explosion, die das Scheitern der Geiselnahme besiegelte. „Wie wirken diese Bilder heute auf Sie?“ – „Ich habe eine präzise Erinnerung, was damals abgelaufen ist.“ – Das ist alles, was Sie dazu sagen?“ – „Was wollen Sie? Zu meinem emotionellen Haushalt möchte ich Ihnen nichts sagen.“
Nach 20 Jahren Haft antwortet Karl-Heinz Dellwo, damals Mitglied des Stockholmer Kommandos, den Fragen von Zeit-TV-Redakteur Stephan Lamby. Die Kommunikation ist schwierig. Lamby will „klipp und klar“ wissen, ob „es“ Dellwo heute leid tut. Dellwo will etwas anderes. Und er will das in seinem ersten Interview nach der Haftentlassung erklären. Ruhig, nach Worten ringend, fast schüchtern: „Nach bald 25 Jahren bewaffnetem Konflikt müßten alle Beteiligten in der Lage sein, diese Geschichte zu historisieren, zu einer politischen Bewertung zu kommen und vielleicht zu einer politischen Lösung.“
Dellwo bekennt sich „selbstverständlich“ zu seiner Verantwortung. Doch „banale Schuldeingeständnisse“ hält er für „unproduktiv“. Das „Konzept Stadtguerilla kann nicht fortgesetzt werden“, sagt Dellwo, „aber es gab Gründe für dieses Konzept“. Stockholm lag „in der Logik der damaligen Situation“. Er erinnert an die Verantwortung der Gegenseite, an die niedergeknüppelten 68er, an Benno Ohnesorg, an die verhungerten RAF-Gefangenen Holger Meins und Sigurd Debus. Aber „die anderen stehen nie da, immer stehen wir da und sollen moralisch zerknirscht sein“. Die Sieger, das ist nicht neu, schreiben die Geschichte. Gerd Rosenkranz
Foto: Wolfgang Wiese
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