„Geschenkt wird uns nichts“

■ Noeleen Heyzer, Chefin der UN-Frauenorganisation Unifem, ist optimistisch: „Die Frauen in Peking werden es den Regierungen nicht erlauben, so weiterzumachen wie bisher.“

taz: Wird mit solch einer Mammutveranstaltung wie der UN- Frauenkonferenz nicht einfach nur viel Geld verschwendet?

Noeleen Heyzer: Nein. Wenn wir kein Geld in solche Konferenzen investieren, wird gar nichts passieren. Im Vergleich zur letzten Konferenz 1985 in Nairobi bin ich sehr optimistisch. Damals haben wir uns noch nicht recht getraut, unsere Stimmen zu erheben. Wir waren unerfahren und unsicher. Doch das hat sich geändert. Heute haben Frauen mehr Erfahrung, bessere Strategien, mehr Netzwerke.

Wir können einfach nicht erwarten, daß wir irgend etwas geschenkt bekommen – vor allem nicht da, wo es Auswirkungen auf das Leben der Männer hat. Von selbst wird nichts passieren. Wir müssen den politischen Willen schaffen. Wir müssen ununterbrochen Druck ausüben. All die Frauen, die nach Peking gekommen sind, werden es den Regierungen einfach nicht erlauben, so weiterzumachen wie bisher.

Die meisten Frauen sind doch gar nicht in Peking. Sie besuchen die alternative Konferenz der regierungsunabhängigen Organisationen. Und die findet fünfzig Kilometer entfernt in Huairou statt. Wie sollen diese Frauen die Regierungen beeinflussen?

Diese Frauen müssen einfach nach Peking kommen, wo die Regierungsverhandlungen stattfinden. Wir brauchen die ständige Interaktion. In Zukunft darf es nicht mehr zwei getrennte, parallele Konferenzen geben.

Was wollen Sie erreichen?

Dies muß eine Konferenz sein, bei der die Regierungen verbindliche Verpflichtungen eingehen. Wir haben ganz konkrete Ziele: Die immer noch bestehende Kluft zwischen den Geschlechtern muß geschlossen werden. Ein Beispiel ist der Zugang zu Bildung. Auch wenn viele Leute sagen, daß es Fortschritte gab, sind immer noch zu viele Frauen Analphabetinnen. 70 Prozent der Ärmsten der Armen sind Frauen. Hier müssen wir sicherstellen, daß die Grundbedürfnisse von Frauen abgedeckt sind. Außerdem muß die Gewalt gegen Frauen ein Ende haben. Frauen sind in allen Phasen des Lebens mit Gewalt konfrontiert, oft bis zum Tod. In vielen Ländern begehen Frauen Selbstmord, wenn sie vergewaltigt wurden.

Sie sind seit Anfang des Jahres Chefin der UN-Frauenorganisation Unifem. Wie wollen Sie Veränderungen forcieren?

Uns geht es darum, die Frauen politisch und wirtschaftlich zu stärken. Außerdem versuchen wir sicherzustellen, daß wir die Erfolge vorangegangener Frauenkonferenzen nicht wieder verlieren. Das gilt besonders für die Anerkennung der Rechte von Frauen. Völkerrechtlich sind die Abschlußdokumente von UN-Konferenzen erst mal nicht bindend. Wir müssen darauf hinwirken, daß Gesetze und Institutionen in den Ländern so verändert werden, daß ein rechtlich verbindlicher Rahmen geschaffen wird. Schließlich müssen wir sicherstellen, daß wir die richtigen Mechanismen und Instrumente haben, um die auf der Konferenz beschlossenen Dinge umzusetzen. Es reicht nicht aus, von einer Frauenkonferenz zur nächsten zu gehen und uns über die dort erreichten Empfehlungen zu freuen.

Was macht Sie so optimistisch?

Wir haben so viele Jahre des Patriarchats hinter uns. Tausende von Jahren ohne die moderne Technologie, ohne die Erfahrungen, ohne die Frauen-Netzwerke von heute. Gleichzeitig entstehen heute neue Formen patriarchaler Strukturen. Aber die Frauen sind stärker geworden und beginnen sich zu wehren. Angesichts der neuen Formen des Patriarchats haben wir die Wahl: Wir können einfach aufgeben. Doch dann müßten wir zurück in unsere alten Rollen schlüpfen. Wir können aber auch sagen: Wir machen weiter. Jetzt erst recht.

Was tut Ihre Organisation?

Unifem ist 1975 gegründet worden. Damals gab es noch keine Organisation in der UNO, die für die Finanzierung von Frauenprojekten zuständig war. Ziel unserer Arbeit ist es, daß Frauen nicht mehr am Rande der Entwicklung stehen. Unsere zweite Aufgabe ist es, innerhalb der UNO-Organisationen zu vermitteln, Partnerschaften zu schaffen. Allerdings ist Unifem immer noch die Organisation innerhalb der UNO, die über das wenigste Geld verfügt.

Worst case in Peking, was könnte passieren?

Am schlimmsten wäre es, wenn nichts beschlossen wird, wenn alles nur Gerede bleibt.

Interview: Jutta Lietsch und

Renate Wilke-Launer