„Monsieur, Sie haben sich im Weg geirrt“

■ Französische Soldaten in Polynesien finden Proteste nicht besonders aufregend und wollen höflich sein, ehe mitgereiste Polizisten die Atomtest-Gegner verhaften

Papeete (taz) – Wenn die Bombe unter Moruroa explodiert – was soll schon sein? Ein bißchen Schaum, das ist alles. Lieutenant Colonel de la Tousche, Pressesprecher des französischen Militärs auf Tahiti, führt einen nur Sekunden dauernden Videofilm vor, der während des letzten Atomtests gedreht wurde: ein paar Uniformierte vor einem großen Schalttisch, ganz wie in der Zentrale eines AKWs, dann der Blick über die Lagune im Inneren des Atolls. Das Meer, eben noch türkis, schäumt weiß auf, dann ist wieder Ruhe. Die Lagune von Moruroa sei wunderschön, schwärmt ein junger Soldat, er schwimme dort sehr gern.

Was soll schon sein, dachte sich auch der französische Minister für die Überseeterritorien, Jean- Jacques de Peretti, und machte vergangene Woche Kurzurlaub auf Moruroa. Dort tauchte der tapfere Mann mit einem Geigerzähler 38 Meter tief, wie die lokale Presse stolz verkündet, und fand: nichts. Die Tests werden übrigens in 600 bis 1.000 Meter Tiefe ausgeführt – der letzte vor drei Jahren.

Das Personal auf Moruroa hat die Tests ebenfalls harmlos zu finden. Jedenfalls bleiben während der Explosionen alle 2.000 Mann, Soldaten, zivile Ingenieure sowie Wartungspersonal, auf dem Atoll. Eigentlich braucht es die Atomtester gar nicht zu stören, ob sich Demonstranten innerhalb der Zwölfmeilenzone (22 Kilometer) um die Insel aufhalten oder nicht.

Es geht den Militärs offenbar mehr ums Prinzip – jedenfalls fällt dem Colonel de la Tousche keine andere Begründung ein, warum die Protestler unbedingt draußen bleiben müssen. Und falls doch bis zu 30 Schiffe gleichzeitig in die Sperrzone eindringen, „ist uns das ziemlich egal“, sagt der Colonel, den seine Nase zumindest optisch zum Falken macht. „Irgendwo innerhalb dieser Zone kriegen wir sie schon, früher oder später.“

Die höheren Ränge des Militärs befinden sich seit letzter Woche auf Moruroa. Ob das ein Zeichen sei, daß die Tests bald losgingen? Schulterzucken. Die Regierung in Paris habe angekündigt, daß die Tests irgendwann zwischen dem 1. September und dem 31. Juli nächsten Jahres stattfinden, „und da ist es unsere Pflicht, ab dem 1. 9. bereitzustehen.“ Ob die Bombe sich schon im Schacht befindet, wie einige Medien melden? Schulterzucken. „Das hat nichts zu sagen.“ Die Bombe dort hinunter zu befördern, sei nur ein winziger Vorbereitungsschritt von vielen. Aus dem Hafen von Papeete sind die grauen Marineschiffe fast alle verschwunden. Außer den sieben Lotsenschiffen, dem knappen Dutzend Transportboote und den drei Hubschraubern, die ohnehin auf Moruroa stationiert sind, befinden sich jetzt zwei große Fregatten mit je einem Überwachungshubschrauber sowie drei besonders schnelle Patrouillenboote in den Gewässern um das Atoll. Als Greenpeace seinen Hubschrauber losschickte, war prompt ein Militärhubschrauber da und flog mit. Auf das U-Boot angesprochen, von dem sich Greenpeace-Leute überwacht fühlten, lacht de la Tousche jedoch herzhaft und schüttelt den Kopf. „Was wollen Sie, wir führen hier doch nicht den totalen Krieg.“ Ohnehin nehmen die Militärs nicht an, daß sich viele Boote über die unsichtbare Linie wagen. Die neuseeländische Marine fürchtet eine diplomatische Krise, die Besitzer des traditionellen Doppelkanus von den Cookinseln, daß sie gerammt werden, und Privatkapitäne, daß sie nicht versichert sind, wenn sie sich illegal verhalten.

Der Oberbefehlshaber der französischen Streitkräfte in Polynesien, Vizeadmiral Philippe Euverte, hat angeordnet, daß jedes Boot bereits 100 Kilometer vor Moruroa gewarnt wird. Und wenn ein Schiff näher als 22 Kilometer herankommt? „Wir sagen dem Kapitän dann über Funk: Monsieur, Sie haben sich im Weg geirrt.“ Wenn er dann noch nicht umkehrt, werde die Marine schon dafür sorgen, daß er es sich anders überlegt. Erst wenn nichts hilft, werde das Schiff beschlagnahmt, die Besatzung festgenommen.

Damit alles seine Ordnung hat, befinden sich Polizisten auf allen Marineschiffen. Die Staatsanwaltschaft auf Tahiti müsse entscheiden, was mit den Festgenommenen geschehen solle, erklärt der Sprecher des französischen Hochkommissariats, Delphin Graeff. Schlimmstenfalls könne es Gefängnisstrafen setzen, etwa wenn die Besatzung physischen Widerstand leistet. Beschlagnahmte Boote habe man bisher immer binnen weniger Tage zurückgegeben. Greenpeace allerdings vermißt immer noch drei Schlauchboote. Von den Protesten hätten die Polynesier die Nase voll, meint de la Tousche erkannt zu haben. Und dann, in einer Breitseite gegen die rund 300 angereisten, mit 37 schweren Kameras bewaffneten Journalisten, gegen die er die französische Ehre verteidigen muß: „Die Leute wollen doch nur ihr Geld verdienen. Warum verstehen Sie denn nicht, daß die hier weniger Angst vor den Atomtests haben als davor, daß die Tests aufhören?“

Nicola Liebert