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Bei Onkel Abou gibt es alles

Beim Trödler gibt's von der antiken Standuhr bis zum billigen Ramsch fast alles. Von Entrümpelungen und Wohnungsauflösungen läßt sich ganz gut leben  ■ Von Peter Lerch

„Biete Buchstaben – billig“, steht auf der Tür zum Reich von Onkel Abou Dabou. In der Kreuzberger Bergmannstraße betreibt der Araber seinen Trödelladen, in dem sich auf kuriose Weise Ramsch und Antiquitäten mischen. Neben zerfledderten Büchern, alten Plattenspielern und anderen gebrauchten Elektrogeräten finden sich antike Lampen und Tafelsilber.

In einer Vitrine stehen Kristallgläser und Porzellanvasen, von der Decke baumeln Fotoapparate aus Zeiten, in denen ein gelungener Schnappschuß noch Glückssache war. Eine weiße Kunstledercouch mit zwei dazu passenden Sesseln aus den frühen fünfziger Jahren steht neben einer Standuhr, die dreißig Jahre älter ist. Sie würde, wie viele der Gegenstände, die in den Vitrinen lagern, eher in eines der gediegenen Antiquitätengeschäfte rund um den Kurfürstendamm passen.

Doch der Mischmasch aus Antiquitäten und Wohnungsauflösungsplunder ist gewollt. „Für jeden etwas“, lautet die die Parole von Onkel Abou. Die Gegenstände hat der Levantiner, der am liebsten auf einem Klappstuhl vor seinem Laden sitzt, von Wohnungsauflösungen, die er kostenlos betreibt. Grundsätzlich guckt er sich jede Wohnung an, die aufgelöst werden soll. „Manchmal bezahle ich sogar noch was dazu“, erklärt Onkel Abou.

Besonders gute Ware kriegt er, wenn alte Leute sterben, denn: „Mit zehn Jahre alten Möbeln ist nichts zu verdienen.“ Wenn er eine Wohnung entrümpeln soll, in der keine oder nur wenig verwertbare Gegenstände rumstehen, läßt er sich etwas dazubezahlen. „Aber dann ist die Wohnung auch besenrein“, versichert Onkel Abou, der ohne Angestellte auskommt und sich bei Bedarf Aushilfen anheuert. Meist sind es die nächsten Angehörigen von Verstorbenen, die den Profi-Trödler mit der Wohnungsauflösung beauftragen.

Früher hat er allwöchentlich auf dem ehemaligen „Polenmarkt“ verkauft, aber seit der Wende lohnt sich das nicht mehr, erzählt er. Die vielen BerlinerInnen aus dem Ostteil der Stadt hätten keinen Sinn für Trödelkram und Antiquitäten. Überhaupt: „Vor der Wiedervereinigung gab es viel schönere Ware.“

„Wohnungsauflösungen, Nachlässe, Entrümpelungen und Geschäftsauflösungen“ steht am Laden von Jamal S. am Mehringdamm. Vor dem Geschäft stehen auf einem Tapeziertisch allerdings Importschuhe und Billigtextilien. Ein Postkartenständer verunsichert endgültig. Entrümpelungen und Wohnungsauflösungen macht Jamal schon seit einigen Jahren nicht mehr. „Ich kaufe nur noch Einzelstücke, die was taugen“, erzählt er. Die Kosten für die Sperrmüllentsorgung seien in den letzten Jahren derart gestiegen, daß sich Entrümpelungen nicht mehr rentierten, sagt der Mittdreißiger, der auf dem dritten Hinterhof ein Möbellager unterhält.

An der Fürbringer, Ecke Zossener Straße stapeln sich auf dem Bürgersteig weithin sichtbar, alte Radiogeräte, Kochgeschirre und Staubsauger. In Körben liegen Gardinen, Bücher und eine alte Kaffeemaschine, dazwischen Gläser, Tassen und Karaffen. Der Trödelladen gehört Rosemarie V., die bereits seit 25 Jahren im Entrümpelungsgeschäft tätig ist. Zunächst mißtrauisch – „Ich erkläre ihnen jetzt, wie man an die Wohnungsauflösungen kommt, und sie machen sich dann selbständig, was?“ – gibt sie bald bereitwillig Auskunft.

Auch Rosemarie bezieht ihren Trödel überwiegend aus Wohnungsauflösungen, für die sie sich nur bezahlen läßt, wenn sich der Aufwand nicht lohnt. Daß sie sich nur selten irrt, bezeugen die dicht gehängten Gemälde, die gerahmten und vergrößerten Schwarzweißfotografien aus der Zeit um 1915 und die zahlreichen Bücher, Elektrogeräte und Uhren, die sich bis zur Decke stapeln. Ein ganzer Raum voll Second-hand-Klamotten gehört ebenso zu ihrem Laden wie das nebenan gelegene Möbellager.

Vor der Tür stehen zwei Männer, die der Trödlerin einen Schrank abkaufen wollen, der dort im Keller gelagert ist. „Du mitkommen ...“ radebrechen sie unbeholfen. „Ich soll mit Ihnen? Das trau' ich mich aber nicht“, flachst die stämmige Händlerin, die beide Männer um Haupteslänge überragt. Sie folgt den Männern, die offensichtlich kein Wort verstanden haben, in den Möbelkeller, wo beide vor einem weißen Schrank mit Spiegeltür stehen bleiben. Einer der beiden stößt ein paar Mal gegen den Schrank, um der Händlerin die wertmindernde Wackligkeit des Schrankes zu veranschaulichen. „Mann, da legste ein dickes Buch drunter, und dann wackelt der auch nicht mehr“, sagt sie.

Aber die Männer, beide aus Kurdistan, verstehen das nicht. Fünfundvierzig Mark will Rosemarie für das neuwertig wirkende Möbelstück. Für die Männer muß sie den Preis mit dem Finger in den Staub malen. Sie verstehen. Feilschen. Bieten vierzig Mark an. „Ach so, fünf Mark habt Ihr nicht mehr, Ihr armen Kerle“, blödelt sie und läßt ihnen den Schrank schließlich für vierzig Mark. Während die zwei Männer sich mit dem Teil abmühen, ruft sie: „Vorsicht! Nicht, daß er sich an der Tür jetzt noch die Ohren abbricht.“

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