: Zweimal gescheppert
■ Mit 2:0 gewinnt Bayern die Münchner Stadtmeisterschaft gegen 1860
München (taz) – Fußball ist im Grunde ein schlichter Sport, erstaunlich indes ist bisweilen seine Wirkung auf Menschen. Am Samstag zum Beispiel, so gegen 16.15 Uhr, ward Herrn S. aus München ein Kind geboren. Die freudige Nachricht wurde ihm und weiteren 70.800 Menschen via Sprechanlage dargetan, als er gerade im Olympiastadion dem Bundesligaspiel TSV 1860 München gegen FC Bayern beiwohnte.
Macht Fußball doof? Machen Münchner Lokalderbies döfer? Hierzu konnte keine Antwort gefunden werden beim 182. Duell der bajuwarischen Traditionsvereine. Zwar ermunterte Christian Ziege, FC Bayern, durchaus zu der These, weil er nach dem mühsamen 2:0-Sieg seiner Mannschaft meinte: „Wir hatten Probleme mit dem Kopf.“ Andererseits traf Ziege mit demselben zum 1:0 ins Tor (74.). Woraus wir mal schließen: Fußball ist nicht nur einfach, im Fußball ist auch alles möglich.
Man muß nur über die nötige Barschaft verfügen. So wie der FC Bayern. Ein Ensemble von höchster Güte hat man sich zusammengekauft und als Lohn für den monetären Gewaltakt durfte Manager Uli Hoeneß nach dem Gewinn der Stadtmeisterschaft sagen: „Wir sind immer für ein Tor gut.“ 86 Minuten mußte Hoeneß diesmal auf den zweiten Treffer von Nerlinger warten. Vorausgegangen war ein profaner Zickler-Einwurf, worin sich zeigte: Es sind bisweilen ganz simple Dinge, die im Fußball Stattliches bewirken. „Man muß nur solange rumspielen, bis man das Loch gefunden hat“ (Hoeneß).
Die Bayern taten dies mit einer derart erschütternden Geduld, daß die Partie bisweilen sedative Wirkung hatte. „Aber auch ein Unentschieden-Spiel birgt seine Reize in sich“, fand Hoeneß. Womit er wohl auf Herzogs Drehschuß ansprach, den Löwen-Keeper Meier reflexstark parierte. Oder den Augenblick, da Trainer Otto Rehhagel seinen Wundersturm Klinsmann/Papin ablöste, weil der gegen das rustikale 1860-Manndeckerduo Kutschera/Miller versackt war. Ein erhabener Moment muß das für die Seelenwelt des Tabellenletzten gewesen sein. Meier jedenfalls befand: „Wir haben die Sechziger-Ehre verteidigt.“ Immerhin. „Nur zweimal hat's gescheppert“ (Kapitän Schwabl). Mehr war nicht.
Und niemand mußte sich schämen. „Gegen diesen FC Bayern muß man mit einer Niederlage rechnen“, resümierte 1860-Trainer Werner Lorant. Und so konnten auch alle Löwen-Fans „erhobenen Hauptes nach Hause gehen“ (Meier). Herr S. hatte sich hoffentlich schon vorher auf den Weg gemacht. Gerhard Pfeil
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen