: Georgiens Altstalinisten kämpfen um die Macht
■ Schewardnadse entläßt den KGB-Chef, wagt es aber nicht, ihn zu verhaften
Berlin (taz) – Fünf Tage nach dem nur knapp gescheiterten Attentat auf den georgischen Staatspräsidenten Eduard Schewardnadse sind am Wochenende in Tbilissi die ersten Konsequenzen gezogen geworden. Nach einer stürmischen Sitzung des Parlaments am Samstag, stimmte eine große Mehrheit der Abgeordneten einem Antrag Schewardnadses zu, KGB-Chef Igor Giorgadse und dessen Stellvertreter Temur Chaschischwili wegen Unfähigkeit zu entlassen. Am Sonntag dann stand die Polizei bei Chaschiswili vor der Tür und verhaftete ihn zusammen mit einem führenden Mitglied der paramilitärischen Organisation Mchedrioni.
Bereits am Freitag hatte die Polizei Büro und Wohnung des Chefs der Mchedrioni, Yossiliani, durchsucht, und dabei umfangreiche Waffen- und Drogenbestände beschlagnahmt. Die Nachricht über die Durchsuchungsaktion erfuhren die Georgier allerdings nur über den Umweg Moskau. Während die eigenen Medien schwiegen, brachte das GUS-weite Moskauer Fernsehen einen Bericht über den Machtkampf in Tbilissi.
Tatsächlich ist das mißlungene Attentat und die anschließenden Verhaftungen, Entlassungen und Durchsuchungen einer der letzten Akte in dem brutalen Kampf um die Macht in dem seit vier Jahren unabhängigen Georgien. Diese letzte Etappe spielt sich hauptsächlich zwischen den einstigen Verbündeten Schewardnadses und dem Milizenchef Yossiliani ab. Der Kampf begann, als Schewardnase per Dekret die Milizen auflösen und die Bildung einer regulären Armee durchsetzen wollte.
Die Entwaffung Yossilianis war Schewardnadse bis letzte Woche nur teilweise gelungen, da dieser sich mit den weitgehend unberührt gebliebenen Kräften des KGB unter eben dem jetzt entlassenen Minister Igor Giorgadse verbündete. Dritter im Bunde war und ist der Vater von Igor, Panteleimon Giorgadse, der Chef der vereinigten KP Georgiens, die die Altstalinisten im Lande versammelt.
Diese unheilige Allianz sieht durch die Verabschiedung einer neuen Verfassung und die Wahlen im November ihren Einfluß gefährdet und versucht diesen Machtverfall nun durch Anschläge zu stoppen. Am 3. Dezember letzten Jahres wurde bereits bei einem Attentat der Vorsitzende der größten demokratischen Oppositionspartei, Georgi Chanturia, ermordet, einer der wenigen Politiker der Demokraten, der die Statur gehabt hätte, gegen Schewardnadse anzutreten. Hinter den Kulissen in Tbilissi wird nun gespannt darauf gewartet, wie Moskau reagiert. Die Verhaftungen zeigen, daß Schewardnadse noch zögert, Yossiliani und Igor Georgadse selbst festzusetzen, solange er nicht weiß, wie deren russische Verbündete sich verhalten werden. Einer der Berater des Staatschefs führt für die Zurückhaltung allerdings andere Gründe ins Feld: „Die Beweislage gegen Yossiliani reicht noch nicht aus. Wir wollen nicht wieder wegen vermeintlich undemokratischer Vorgehensweise an den Pranger gestellt werden.“ Jürgen Gottschlich
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