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Ein Fummel aus zweiter Hand

■ Ein Streifzug durch Berliner Secondhand-Läden zeigt: Das Angebot ist vielfältig, doch originelle Kleider sind teuer. Die Klamotten kommen aus US-Kleiderdepots

Vorbei sind die Zeiten, als man nicht nur seinen Eltern erklären mußte, was Secondhand-Kleidung ist. Heute weiß selbst die Mutter aus der Provinz, daß Secondhand nicht gleich „Schmuddellook“ bedeutet, und biedere Frauenzeitschriften empfehlen ihren Leserinnen, die Basisgarderobe mit Stücken aus zweiter Hand „aufzupeppen“.

Doch nicht nur die vielbeschworenen „flippigen Akzente“ lassen sich mit dem Rüschenhemd von Großmutter setzen. Auch profane Pullover oder schnieke Kostüme kann man heute gut und vergleichsweise billig aus zweiter Hand erwerben. Die Nachfrage ist enorm und hat dazu geführt, daß Berlin für den Gebrauchtkleiderfreak ein schier unerschöpfliches Angebot in Sachen Secondhand- Geschäften bietet.

Wirklich alte Kleider sind inzwischen nur noch sehr schwer zu bekommen und haben ihren Preis. In den S-Bahn-Bögen unter dem Bahnhof Friedrichstraße gibt es den Laden „Falbala“. Eigentlich ist es eher ein Lädchen, denn der Raum ist kaum größer als ein begehbarer Kleiderschrank. Dafür hängen hier Kleider, stapeln sich Hüte, Schmuck und Schuhe, von denen man dachte, daß sie höchstens noch in historischen Filmen oder auf Fotos zu bewundern seien.

Die Inhaberin von „Falbala“, Josefine Edle von Krepl, sammelt seit ihrer Kindheit alte Mode und verfügt inzwischen über einen Fundus von über 800 Kleider. Glitzernde schwarze Charleston-Roben, schlichte Mille-fleurs-Tageskleider, aber auch das glamuröse, goldene Siebziger-Jahre-Disco- Ensemble verkauft die gelernte Kunstschneiderin in bestem Zustand für 150 Mark mindestens.

„Gehobenes Niveau zu einem fairen Preis“, so beschreibt der Besitzer der Boutique „Ariane“ in der Mommsenstraße sein Sortiment. Noblesse und Sparsamkeit sollen sich nicht mehr ausschließen. Bei „Ariane“ landen in der Regel sogenannte Fehlkäufe, die dort auf Kommissionsbasis angeboten werden. Für den ungetragenen Jil-Sander-Anzug müssen dann nur noch 260 Mark lockergemacht werden, Pullover und Blusen sind schon für unter hundert Mark zu haben. Markenfetischistinnnen kommen hier voll auf ihre Kosten.

Die lagerartigen Secondhand- Läden, in denen sich in den Ferien und an verkaufsoffenen Samstagen die Teenie-Touristen tummeln, gibt es inzwischen an jeder Ecke. Empfohlen sei an dieser Stelle das „Checkpoint“ am Mehringdamm oder der kleine, namenlose Laden an der Wiener Ecke Ohlauer Straße. Hier läuft alles nach dem Prinzip: „Wer sucht, der findet.“ Nur, daß heute erheblich länger nach ausgefallenen Stücken gesucht werden muß, als noch vor einigen Jahren. Das „Made in Berlin“ in der Potsdamer Straße, das „Colours“ in der Bergmannstraße und die „Garage“ in der Ahornstraße fallen auch in diese Kategorie und gehören alle einem einem Unternehmer.

Die Ware wird containerweise aus Amerika angeliefert und stammt aus Kleiderdepots, die während der Energiekrise vor knapp zwanzig Jahren angelegt wurden und heute nach und nach aufgelöst werden. Die begehrten, alten Levis-Jeans sind meistens aussortierte Gefängniskleidung. Grundsätzlich gilt auch hier, je älter desto teurer – wirklich extravagante Sachen sind, wenn überhaupt, zu gehobenen Preisen zu haben. Nostalgie hat inzwischen ihren Preis. Vorbei sind eben auch die Zeiten, in denen man sich für 50 Mark einmal komplett und smart von oben bis unten einkleiden konnte. Heike Blümner

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