: Brecht nicht nackt...
■ ...dafür bibelfest: Frühes Brecht-Fragment soll in Berlin uraufgeführt werden
„Einfach beglückend und wunderbar“ sei es, daß sich die jüdische und die christliche Welt fänden, jubelt Brigitte Grothum. Gefunden haben sich zunächst einmal Brigitte Grothum und Barbara Brecht-Schall; die eher vom gehobenen Boulevardtheater bekannte Schauspielerin und Regisseurin ist mit der Brecht-Tochter und mächtigen Brecht-Erbin befreundet. Mitgebracht haben die beiden Damen einige Herren in einen Raum der Stiftung Neue Synagoge Centrum Judaicum in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte, wohin am Mittwoch auch einige Journalisten den Weg finden durften.
Und noch einer hat was gefunden: der Ehemann von Barbara Brecht-Schall. Ekkehard Schall ist nämlich im Brecht-Archiv auf ein sogenanntes „David“-Fragment des jungen B.B. gestoßen, aus der Augsburger Zeit, den Jahren 1919 bis 1921. Das bislang unveröffentlichte Fragment besteht aus drei großen Szenen, die das alttestamentarisch bekundete Leben des David behandeln. Nun soll das Stückchen nicht etwa am Berliner Ensemble uraufgeführt werden, sondern am 4. November im Berliner Hebbel-Theater. Die beiden Freundinnen haben sich das wie folgt gedacht: Frau Grothum darf's bearbeiten und inszenieren, und der Gatte von Frau Brecht-Schall mitspielen. Tochter Jenny Schall entwirft die Kostüme. Damit das Fragment aber nicht so nackt auf der Bühne steht, werden die „David“-Szenen „eingebettet“ in Brecht-Zitate und Bibelstellen. Etwa 80 Prozent stammten von Brecht, versichert Frau Grothum. Und damit die Zuschauer dies auseinanderhalten können, werden die Brecht-Stellen mit Liedern im Brecht-Stil und die Bibelstellen von hebräischen Gesängen gekennzeichnet.
Schon der ganz junge Brecht wird flugs zum Klassiker erklärt, bibelfest und bestimmt nie unflätig. Brigitte Grothum hat nämlich Sponsoren und ein neues Label gefunden: „Berliner Klassiker- Herbst“. Der soll jedenfalls „richtiges Theater“ bieten, mit einer „gehobenen Bühnensprache“ für ein „Publikum, das sich Theater ohne Obszönitäten wünscht“. Zum Schluß verspricht sie, daß sich auf der Bühne ganz bestimmt kein Schauspieler nackt ausziehen werde, und dort auch kein Eisschrank und kein WC zu finden sein werden. Ersteres finden wir schade und hoffen, daß uns das Theater des Kirchenquerulanten Drewermann weniger puristisch daherkommt: „An Euren Gott wird niemand mehr glauben!“ soll bereits Anfang Oktober in der Berliner Urania zur Uraufführung kommen. Daß es zu Davids Zeiten keinen Eisschrank und kein WC gab, finden wir einleuchtend. Sabine Seifert
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