: Polizei im Viertel-Takt
■ Ungewöhnliche Begegnungen am Tag der offenen Tür des Brommyplatz-Reviers
„Sie habe ich doch auch mal verhaftet...“ Gerne erinnerten sich der ältere Polizist und der nicht mehr ganz so junge Ortsamtsleiter Robert Bücking an ihr erstes Zusammentreffen bei einer Demonstration vor gut 25 Jahren. Für die freundliche Atmosphäre beim Wiedersehen sorgte gestern nachmittag das Fest zum „Tag der Offenen Tür“ des Steintor-Reviers auf dem Brommyplatz. Viertel-Kaufleute hatten Erbsensuppe gekocht oder schabten Döner ins Pide-Brot – der Erlös war für soziale Initiativen bestimmt. Der ADAC demonstrierte jedem, der es wissen wollte, wie sich ein Aufprallunfall mit Gurt am eigenen Leib anfühlt, die SchülerInnen der Gesamtschule Mitte hatten Waffeln gebacken und die Lotterie lockte mit einer Istanbul-Reise als Hauptgewinn.
Im Polizeizelt sorgte Günther Kahrs, Viertel-Original und Gründer des „Vereins zur Entschärfung gesellschaftlicher Konflikte e.V.“ für Kaffee und Kuchen. Auf mancher langen Vorbereitungssitzung für das Fest ist er Revierleiter Manfred Schurwanz auch persönlich näher gekommen: „Sollte ich mal Probleme mit der Polizei kriegen, muß ich ihm nur Bescheid sagen und er pfeifft dann seine Leute zurück.“ So habe Schurwanz es ihm versichert, grinst der kahlköpfige Kahrs.
Auch Armin Stolle, Demonstrant mit langem Atem und im Hauptberuf Leiter der benachbarten Gesamtschule Mitte, hat Frieden mit den Männern in Uniform geschlossen. „Ich finde es toll, daß das Brommyplatz-Fest diesmal ein in Organisation bewandertes Team in die Hände genommen hat“, rief er zur Eröffnung den Polizisten zu. In den Jahren zuvor hatte stets die GSM die Hauptlast der Organisation getragen.
Im Unterschied zur damals üblichen alternativen Straßenkunst durfte dafür gestern der Polizeichor mit dem Shanty „Seemann, laß das Träumen“ den Ton angeben. Und für das Theater auf der improvisierten Bühne vor dem Revier sorgte die Karategruppe des Sondereinsatzkommandos (SEK) mit dem Stück: Wir verhaften einen Verbrecher und wirbeln ihn möglichst effektvoll durch die Luft bevor die Handschellen einschnappen.
Wenig amüsiert betrachteten die beiden Abgesandten der „Anarchistischen Alternative“ die Begeisterung, die die Karate-Bullen mit ihrer Vorstellung bei den zwei dutzend Kindern im Publikum auslösten. „Dieses Fest ist doch ein scheinheiliges Kasperletheater“, meinte einer von ihnen und verteilte ein Flugblatt, um den wahren Charakter der Polizei zu entlarven. Darin wird an Foltervorwürfe, Brechmittelvergabe, Jagd auf libanesische Kinder erinnert, mit denen das Brommyplatz-Revier in den vergangenen Jahren auch überregional in die Schlagzeilen kam. „Selbstdarstellung ist noch keine Selbstkritik“, bemängelt das Flugblatt, „und offene Türen passen irgendwie nicht in den Gefängnisbetrieb“.
Besonders aufgestoßen war den beiden Anarchisten auch eine Aktion am Feststand der CDU. „Da sollen sich die Kinder als Punks schminken, mit lila Haaren und so“, hatte einer von ihnen beobachtet. Und tatsächlich drängelten sich nach Schulschluß die Cliquen aus der GSM um den Tisch mit Fingerfarben und Sternchenpulver. Doch statt Springerstiefeln an den Füßen trugen sie dabei Eis am Stil in der Hand.
„Unsere größte Sorge ist, daß man bei jeder Gelegenheit immer so schnell gegen uns schießt“, klagte Revierleiter Schurwanz am Rande des Geschehens, „die Viertel-Bewohner sind wirklich sehr beschwerdefreudig“. Freierverkehr und Junkie-Elend, Kinderbanden und Drogenhandel – für jedes gesellschaftliche Problem werde sofort die Polizei verantwortlich gemacht. „Dabei sind wir doch nicht die Sozialpädagogen des Viertels“, meint Schurwanz. Da nimmt ihn auch Ortsamtsleiter Bücking in Schutz. Denn „ohne die Polizei würde das hier doch alles gar nicht funktionieren.“ Ase
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