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Europaschule mit Haken und Ösen

Die erste deutsch-türkische Europaschule in Berlin hat Startprobleme. Die Nachmittagsbetreuung ist noch nicht gesichert, doch die Eltern hoffen, das Geldproblem bald zu lösen  ■ Von Michaela Eck

Die gute Nachricht zuerst: Grünes Licht für die erste deutsch-türkische Europaschule in Berlin. Noch in diesem Jahr sollen in der eigens dafür neugegründeten 22. Grundschule am Kreuzberger Fraenkelufer zwei Vorklassen mit jeweils 16 Kindern eingerichtet werden.

Die letzte und entscheidende Hürde ist jedoch noch nicht genommen. So lautet die schlechte Nachricht denn auch: Gibt es für die noch fehlende Nachmittagsbetreuung der Kinder nicht bald eine Lösung, droht das Projekt der deutsch-türkischen Schule in Kreuzberg zu scheitern. Andreas Dehne, Sprecher der Elterninitiative der Europaschule, ist dennoch optimistisch: „In jedem Fall wollen wir versuchen, nach den Herbstferien mit zwei Vorklassen zu starten“.

Gemeinsam mit den Senatsverwaltungen für Schule und Jugend würde verhandelt und getüfelt, um das Problem zu lösen. Denn eins ist den Eltern klar: Ohne eine gesicherte Nachmittagsbetreuung wird der Schulversuch nicht funktionieren. Um den Absturz zu verhindern, lassen die Eltern aber nichts unversucht. Sie bemühen sich, neue Finanzierungsquellen aufzutun. „Uns fehlen die Mittel, um das Ganze aus eigener Tasche zu finanzieren. Wir sind auf die Unterstützung der Verwaltungen angewiesen“, so Elternsprecher Dehne.

Auch bei den anderen Europaschulen falle das Problem der fehlenden Nachmittagsbetreuung schwer ins Gewicht. Teilweise würden die Eltern den Hort jetzt selbst bezahlen. Aber das sei in Kreuzberg für viele Familien illusorisch. Das Einkommen reiche einfach nicht für diese zusätzliche Belastung. In wohlhabenden Bezirken wie Zehlendorf sei es für die Eltern möglich, einen Beitrag zu leisten. „Aber die soziale Struktur in Kreuzberg ist eben eine andere“, sagt Andreas Dehne.

Bei der Senatsschulverwaltung besteht zwar die Absicht, die neue Schule zügig einzurichten – allein es fehlt der Wille, für die Nachmittagsbetreuung zu zahlen. Und angesichts der herrschenden Rechtslage ist die Verwaltung fein heraus: Die Hortbetreuung nämlich sei rechtlich im Schulversuch Staatliche Europaschule nicht verankert, kritisiert Dehne. Das bringe die Eltern in Schwierigkeiten. Der türkische Generalkonsul und der Kreuzberger Volksbildungsstadtrat haben jetzt aber ihre Unterstützung zugesagt, das Problem der Nachmittagsbetreuung zu lösen.

Für die Schule ist die Verzögerung besonders deshalb bedauerlich, weil sie im Prinzip morgen starten könnte. Alles ist vorbereitet: grünes Licht von der Senatsschulverwaltung, Sponsoren für die Renovierung der Räume am Fraenkelufer sind gefunden, die LehrerInnen und ErzieherInnen stehen in den Startlöchern, und 24 VorschülerInnen warten schon gespannt auf ihren ersten Vor- „Schultag“.

Im nächsten Sommer sollen dann zwei erste Klassen an der Europaschule starten. Sowohl die Vorklassen wie auch die beiden künftigen ersten Klassen sind schon komplett belegt. Es gibt einen richtigen Andrang, und einige Eltern, die ihre Sprößlinge anmelden wollten, mußten abgewiesen werden.

Die Europaschulen sind ein bundesweit einmaliges Berliner Modellprojekt zur zweisprachigen Erziehung. Neben den regulären Zügen wurden bis jetzt an neun Grundschulen Klassen der Europaschule eingerichtet. Sie bestehen je zur Hälfte aus deutschsprachigen Kindern und aus Kindern einer anderen Muttersprache.

Der größte Teil des Unterricht läuft zweisprachig. Dafür werden LehrerInnen eingestellt, deren Muttersprache die jeweilige Partnersprache der Europaschule ist. Spielerisch werden die Kinder mit Struktur und Wortschatz der anderen Sprache vertraut gemacht. Lesen und Schreiben lernen sie getrennt jeweils in ihrer Muttersprache. Hinzu kommen aber zusätzliche Stunden in der Partnerprache.

Da das Projekt seit 1992 von unten aufgebaut wird, gibt es die Europaschule bisher nur in den ersten Jahrgängen der Grundschule. Diese Schulform steht allen Interessierten offen und will keine elitäre Einrichtung für besonders Begabte sein. Nach der sechsten Grundschulklasse soll sie deshalb in der Gesamtschule weitergeführt werden, so daß Abschlüsse auf jedem Niveau möglich sind.

Auch für die jüngste Europaschule im Bunde – die deutsch-türkische – ist dies geplant. Doch das sei alles noch Zukunftmusik, kritisiert Andreas Dehne die hochgesteckten Ziele der Senatsschulverwaltung. Erst mal müsse man die große Kleinigkeit der Nachmittagsbetreuung lösen, damit es hier losgehen könne.

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