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Ladykiller Von Mathias Bröckers

Das Clairwerk Marienfeld hat auf einer Pressekonferenz erneut Dünnsäure verklappt: Frauen, so die Kohlsche Wehrbeauftragte, müsse der Waffendienst bei der Bundeswehr erlaubt werden. Bis dato sind Damen nur zum Sanitätsdienst und den Musikkorps der Truppe zugelassen – doch Pflaster und Zapfenstreich, findet auch Verteidigungsminister Rühe, sind zuwenig. Schließlich würden ja auch Polizistinnen mit Knarre rumlaufen, und deshalb solle jetzt die Verfassung geändert werden.

Zwar haben der oberste Feldherr und seine Betriebsratsvorsitzende noch keine weiblichen Kriegseinsätze vorgesehen – die Luftaufklärung über zu zerbombende serbische Krankenhäuser obliegt weiterhin männlichen Tornado-Piloten – doch zur Bewachung von Kasernen „in Friedenszeiten“ sollen künftig die Ladies ran. Auch dies ein weiterer Schritt der „Normalisierung“ und „Anpassung an veränderte Verhältnisse“, wie die schleichende Remilitarisierung und Mobilmachung der Republik derzeit genannt wird. Wie das funktioniert – vom somalischen Truppenbetreuer über den kroatischen Sanitäter zum serbischen Luftaufklärer und Bomberpiloten – wird gerade bei den Männern vorexerziert. Nach dem klipp und klaren Verfassungsauftrag der Bundeswehr – der Landesverteidigung – kräht kein Hahn mehr.

Bis hinauf zum dicken Kanzler sind alle mächtig stolz, daß die Deutschen wieder „ganz normal“ mitmischen beim Bombenkrieg auf dem Balkan. Zwar noch mit Kondom – doch wann es abgestreift und wieder scharf geschossen wird, entscheidet allein der Zufall. 50 Jahre nach dem Horror des Zweiten Weltkrieges ist die Enkelgeneration schon wieder mittenmang dabei, den Dritten herbeizubomben. Die Geschäfte der Rüstungsindustrie brummen wie seit den Zeiten der alten Krupps nicht mehr, Deutschland ist weltweit der zweitgrößte Waffenexporteur – und an der Heimatfront, an Flakscheinwerfer und Hochsicherheitszaun wird das deutsche Mädel mobilisiert ...

Als kleines Gegenfeuer gegen den neuen deutschen Militarisierungstrip muß da die Ankündigung eines Verfassungsgerichtsurteils gelten, nach dem die Aussage „Soldaten sind Mörder“ definitiv von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Das ganze Empörungstheater in Richtung Karlsruhe wird von vorne losgehen, wobei die Front der Kruzifix-Entrüsteten noch ergänzt wird durch alte Wehrmachtskameraden und neue Bürger in Uniform. Daß sich auch dieses Mal ein durchgedrehter General finden wird, der das Verfassungsgericht mit dem NS-Volksgerichtshof vergleicht – dafür könnte man, bei der hohen Emotionalität der Debatte, fast die Hand ins Feuer legen.

Dabei ist der Standpunkt der Verfassungsrichter in einem demokratischen Staat völlig selbstverständlich; selbst wenn eine Mehrheit der Bevölkerung Soldaten als lebensstiftend und welterhaltend betrachtet, muß es einer Minderheit gestattet sein, sie als todbringend und mörderisch zu bezeichnen.

Daß dies keine aus der Luft gegriffene Beleidigung, sondern eine logische Schlußfolgerung aus historischen Tatsachen darstellt – davon legen die Leichenberge der Geschichte Zeugnis ab. Sie wurden fast ausschließlich von Männern produziert – an Mörderinnen bestand und besteht kein Bedarf.

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