Short Stories from America: Die CK-1-Patentlösung
■ Wie frau ganz leicht verhindern kann, eine nörgelnde Mistkrücke zu werden
Barbara Lippert von Adweek, der Bibel der Werbebranche, regt sich über den neuen Werbespot für Diät-Sprite auf. Darin rauscht eine Frau in eine Bar und empört sich über Männerlügen wie „Ich liebe dich“, „Ich mag Kinder“ und „Der Verband an meinem Ringfinger stammt von einem Angelunfall“. Als der Mann neben ihr sagt, er trinke Diät-Sprite, nennt sie ihn einen Lügner, schüttet ihm ihren Drink ins Gesicht und stürmt raus. „Mußte die sich“, gurgelt er, „unter allen Diät-Sprite-Schuppen in der Stadt ausgerechnet meinen aussuchen?“
Nach Lippert wimmelt es in Werbespots nur so von mappies – männerscheuchenden, berufstätigen Frauen eines ganz bestimmten Alters. „Da wird doch der Eindruck vermittelt, Frauen seien völlig hysterisch“, schreibt sie. Dem stimme ich zu. Meine Freundinnen auch, als wir kürzlich im Maniküresalon über Adweek sprachen. Wenn man Männern sagt, daß sie Mist gebaut haben, halten sie einen für eine mappie, früher: nörgelnde Mistkrücke – gibt es Schlimmeres? Statt dessen, sagte Stella, während sie zwischen zwei Nagellackschattierungen schwankte, die sie in dem Film „Clueless“ gesehen hatte (einer satirischen Hommage an die weiblichen Teenager von Beverly Hills), muß man den Typen eifersüchtig machen. Man schickt sich selbst Blumen und Pralinen mit diskreten Botschaften – wenn er besonders großen Mist gebaut hat, schickt man Parfüm –, und schon benehmen sich die Kerle wieder. So hat es jedenfalls eine in „Clueless“ gemacht.
Wenn das mehr Frauen klar wäre, hätten sie mit Männern viel weniger tsuris. So nannte meine jiddischsprechende Großmutter Kummer und Ärger, und davon verstand sie – ein Mädchen aus Wien, dreimal verheiratet – eine Menge. Als sie mit 82 starb, hatte sie immer noch tolle Beine und einen Mann, der ihr jeden Wunsch von den Augen ablas. Wenn die jüngeren Frauengenerationen sich nicht ständig in Vorständen und Aufsichtsräten herumtrieben, auf „echter Partnerschaft“ bestünden und die Lehren ihrer Großmütter mit Füßen träten, ginge es ihnen entschieden besser.
Das hätte, meinen Stella und ich, auch Mrs. Nichols Kane wegen der Unterhaltszahlungen ihres Exmannes beherzigen sollen. Jeffrey Nichols, ein Investitionsberater mit einem Jahreseinkommen von über 200.000 Dollar, der in Vermont in einem 500.000-Dollar-Haus lebt, ist in den letzten fünf Jahren 580.000 Dollar an Unterhaltszahlungen für seine drei Kinder schuldig geblieben. Als ihn ein Richter im Staate New York 1990 zur Zahlung verurteilte, zog er erst nach Toronto, dann nach Boca Raton in Florida und dann nach Vermont – jedesmal nach einem richterlichen Urteil.
Mrs. Nichols Kane wurde deswegen wütend – genau das, wovon das Mädchen aus „Clueless“ und meine Großmutter entschieden abraten. Dennoch zog sie plump wieder vor Gericht und Mr. Nichols wurde als erster Mann wegen Verletzung des Unterhaltszahlungsgesetzes von 1992 angeklagt, wonach es ein Bundesverbrechen ist, wenn man zur Vermeidung von Unterhaltszahlungen in andere Bundesstaaten umzieht. Der letzte Richter schickte Nichols ins Gefängnis, bis er wenigstens einen Teil seiner Schulden bezahlt und einen Zahlungsplan für 30.000 Dollar Zinsen vorgelegt hätte.
Mrs. Nichols Kane sieht sich jetzt vielleicht als Siegerin, aber ich wette, daß Mr. Nichols sie insgeheim als „hysterisches Weibsbild“, als mappie und vielleicht sogar als nörgelnde Mistkrücke bezeichnet hat. All das hätte sie sich sparen können, wenn sie sich Blumen und Pralinen hätte liefern lassen, während Mr. Nichols die Kinder besuchte – oder vielleicht auch eine Flasche CK 1.
Das neue Duftwässerchen von Calvin Klein ist nämlich besonders wirksam, weil es nicht geschlechtsspezifisch ist und den Eindruck erweckt, man habe es gerade bei einem anderen Mann vom Regal genommen – eine Illusion, die dann die Glut und Eifersucht des abenteuernden Männchens anheizt, das sich daraufhin nach Kräften bemüht, seinen „Rivalen“ auszustechen.
Wenn Mrs. Nichols Kane doch bloß die CK-1-Lösung kapiert hätte! Wenn das doch bloß auch die Mütter der 800.000 Kinder kapieren könnten, die von der Fürsorge leben, weil Papi keinen Unterhalt zahlt – oder die Mütter im ganzen Land, denen ihre Exmänner 34 Milliarden Dollar an Unterhaltszahlungen schulden, und besonders die Mütter, deren Exmänner den Bundesstaat gewechselt haben. Und hätte Calvin Klein die CK-1-Lösung kapiert, könnte er den Mamis Rabatt einräumen. Dann wären alle glücklicher: Die Männer kämen nicht ins Gefängnis, die Frauen würden nicht mappies genannt, und Klein könnte (noch) ein Vermögen verdienen.
Newt Gingrich hat eben doch recht: Probleme löst nicht die Regierung, sondern der Markt. Stella und ich haben zwar keine Kinder, aber wir haben uns vorsorglich schon mal ein paar Flaschen CK 1 gekauft. Marcia Pally
Aus dem Amerikanischen von Meinhard Büning
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