„Big Alex“ hat's nur gut gemeint

Honeckers Devisenbeschaffer will niemandem geschadet haben. Alexander Schalck-Golodkowski erklärt sich vor Gericht, seine Anwälte fordern die Einstellung des Verfahrens  ■ Aus Berlin Wolfgang Gast

„Big Alex“ ist sich keiner Schuld bewußt. So wie der Hüne vor der fünften Strafkammer des Berliner Landgerichtes auftritt, ist unschwer nachvollziehbar, warum die früheren Mitarbeiter ihrem Chef diesen Spitznamen verpaßten. Vor allem die Art und Weise, wie er das eigene Tun ins rechte Licht zu rücken sucht, muß den Ausschlag dafür gegeben haben, den heute 63jährige Alexander Schalck-Golodkowski schon zu Vorwendezeiten hinter vorgehaltener Hand zu bespötteln. In einer „Erklärung zu den persönlichen Verhältnissen“ sucht der langjährige Chefdevisenbeschaffer der DDR nicht nur seine Arbeit zu rechtfertigen. Im besten Funktionärsdeutsch weiß Schalck auch, „daß der Prozeß gegen mich rechtswidrig ist, insbesondere gegen das Völkerrecht und gegen das Grundgesetz verstößt“.

Die Staatsanwaltschaft will den DDR-Devisenbringer in diesem Prozeß wegen Waffenschmuggels zur Rechenschaft ziehen. Als Kopf des „Bereiches Kommerzielle Koordinierung“ hat Schalck nach deren Auffassung gegen die vom Westen verhängten Embargobestimmungen verstoßen, weil er klandestin in den achtziger Jahren Jagdgewehre und rund 250 Nachtsichtgeräte beschaffen ließ. Fünf weitere Anklagen gegen Schalck hat die Staatsanwaltschaft erhoben, eine davon, wegen Steuerhinterziehung, wurde vom Gericht bereits zurückgewiesen.

Schalcks Anwälte versuchten gestern nachzuweisen, auf welch wackliger rechtlicher Konstruktion der Prozeß gegen Schalck gestützt ist. Zum einen könne ein Bruch der vom Westen verhängten Embargobestimmung nicht verfolgt werden, da Schalck im Auftrag seines Landes für sein Land tätig wurde. Analog zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, das die Frage einer möglichen Strafverfolgung von Mitarbeitern des DDR-Auslandsnachrichtendienstes verneinte, komme eine Verurteilung Schalcks schon deshalb nicht in Betracht. Zum anderen nahmen sich die Juristen das Militärregierungsgesetz 53 aus dem Jahre 1949 vor, auf das sich die Anklage gegen Schalck vor allem stützt. Mit diesem Gesetz wurde in der Nachkriegszeit der innerdeutsche Handel restriktiv gesteuert. Zwar wurde dessen Inhalt 1954 mit einem Überleitungsgesetz auch in die Strafvorschriften der Bundesrepublik übernommen. Mit der deutschen Einheit, argumentieren die Anwälte, sei diese Regelung über den innerdeutschen Handel nun endgültig entfallen. So gebe es für den unterstellten Waffenschmuggel heute gar keine Rechtsvorschrift mehr.

Ruhig, aber bestimmt reklamiert Schalck, weder der DDR, der alten Bundesrepublik noch dem wiedervereinigtem Deutschland „irgendeinen Schaden zugefügt“ zu haben. Nur einmal bricht verhaltener Zorn durch, hebt sich Schalcks Stimme: „Heute stehe ich zum ersten Mal in meinem Leben als Angeklagter vor Gericht.“ Schalcks verspäteter Rechenschaftsschaftsbericht kreist um Milliarden beschaffter Devisen für den maroden DDR-Staatshaushalt, die ihm abverlangte Belieferung der SED-Politprominenz in Wandlitz mit Westprodukten und die Versorgung der DDR-Bevölkerung durch Direktimporte („Von Südfrüchten bis Bekleidung“). Ein Waffenschmuggel findet im Vortrag keine Erwähnung. Dafür aber die leise Drohung, daß noch so manches über die klandestinen deutsch-deutschen Kontakte bekannt werden könnte. „Wie allgemein bekannt ist, habe ich als Unterhändler jahrelang mit hochrangigen Politikern der Bundesrepublik zu tun gehabt, von denen viele noch heute in wichtigen Ämtern tätig sind.“ Der Prozeß wird am Donnerstag fortgesetzt.