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Arme SPD

■ betr.: „Gerhard Schröder bleibt lieber ganz weit weg“ (Parteilinke fordert mehr „Willensbildung von unten nach oben“, taz vom 5. 9. 95

Nun kann jeder den Machtkampf zwischen Rudolf Scharping und Gerhard Schröder verfolgen. Beide, und nur darin sind sie wohl einig, wollen Herrn Kohl als Bundeskanzler ablösen. Macht zu lange in einer Hand, führt meist nur dazu, Seilschaften aufzubauen und mit der Zeit diese Beziehungen nur noch gegen den Rest der Welt zu verwenden.

Ja, die CDU regiert inzwischen zu lange und ein Wechsel ist dringend geboten. Doch wie, wenn die SPD vor innerer Streiterei sich selbst zerstört. Wo bleiben die SPD-GenossInnen, haben nicht sie die Frage zu beantworten, wer Kanzlerkandidat wird? Eine demokratische Partei muß solche Fragen durch ihre Mitglieder klären, doch davon will Herr Scharping nichts wissen. Er mißbraucht für jederman sichtbar seine Macht, um Gerhard Schröder den Mund zu stopfen.

Unterdrückung kann immer nur über einen begrenzten Zeitraum erfolgen, bis der Widerstand eines Tages das Blatt wendet. Noch vor einigen Jahren haben wir es belächelt, wenn in der DDR der Genosse Honecker mit über 90 Prozent zum Parteivorsitzenden gewählt wurde und es überhaupt keine Frage war, daß der Parteivorsitzende auch Staatsführer wurde. Diese Machtansprüche gibt es leider nicht nur auf Bundesebene, sondern auch auf der kommunalen Ebene versuchen Funktionäre der Partei oder Fraktionsvorsitzende ihre Positionen zu mißbrauchen. Scheinheilig beklagen dann die gleichen Obergurus, daß es keine jungen Leute für die Parteiarbeit gibt. Dieses Gerangel ist dann jedoch nicht so offensichtlich wie bei den Genossen Scharping und Schröder, aber Menschen, die in der Politik mit ihren Ideen etwas bewegen wollen, empfinden das als abstoßend. [...] Die SPD verwirkt sich ihre Oppositionsmacht, wenn die Bürger nicht in ihr die bessere Alternative sehen und der CDU wird zuviel Handlungsfreiraum überlassen.

An dem schlechten Beispiel von Scharping und Schröder sollte bis in den kleinsten Ortsverein gelernt und dringend neue Wege beschritten werden. Eine Partei lebt vom Dialog, vom konstruktiven Streit, nicht vom Erhalt bestimmter Erbhöfe. Ines Winkler, Belvesiek

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