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■ QuerspalteFrauen am Rande von Peking

Mein Telefon klingelt. Es ist der Redakteur dieser Seite: „Mensch, ich habe hier das Glossenthema für dich: Claudia Nolte, hihi, war in Thailand, haha, im Bordell.“ Der Rest geht in seinem schäbigen Gewieher unter. Angewidert lege ich auf. Offenbar erwartet dieser gewissenlose Schmock, daß ich unverzüglich zu gemeinen Stammtischwitzen gegen die frühlingsfrische, unverbrauchte, spritzige Ilmenauerin – lt. Bild „Kohls neugierigste und couragierteste Ministerin“ – aushole. Den Teufel werde ich.

Schließlich hat Claudia Nolte den „Abstecher nach Thailand am Rand ihrer Dienstreise zur UN-Frauenkonferenz“ (Bild) nicht einfach nur unternommen, weil sie noch drei, vier Lufthansakilometer frei hatte und Bangkok so ziemlich am Rand von Peking liegt, nein, sie weilte „im schlimmsten Bordell“ (Bild) incl. „Vaginal-Akrobatik bzw. Bilder“ – „mit den Schamlippen gemalt“ (Stern), „um künftig genau zu wissen, wovon die Rede ist“, wenn ihr der Kanzler demnächst wieder einmal vorwirft, ihre Gesetzentwürfe seien reine „Vaginal-Akrobatik“. Wer wollte einem Politiker seinen Drang zur Wahrheit übelnehmen, und dann noch ausgerechnet unserer Frauenministerin?! Ich nicht.

Es ist – im Gegenteil – wunderbar, daß sich neugierige, emanzipierte Frauen heutzutage ein „weißes T-Shirt, dunkle Jeans und Goldschmuck“ (Stern) antun und forsch auf die Wirklichkeit losgehen, daß diese Frauen, Frauen wie Claudia Nolte, dann einfach nachgucken, wie das geht, Prostitution, welche Körperteile man dazu braucht, ob Realschule reicht, und ob dabei möglicherweise auch Geld im Spiele ist, daß sie überlegen, diese traditionelle Männerdomäne möglicherweise zu einem anspruchsvollen Frauenberuf zu machen. Und es ist noch viel wunderbarer, daß angesichts der Werkfunk-Musik im „Fire Cat“ (Stern) Frauen wie Claudia Nolte kritisch und unnachgiebig nachfragen: „Wer denkt sich eigentlich solchen gräßlichen Quatsch aus?“ Ich vermute, Phil Collins. André Mielke

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