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Das Reptil ist weitergezogen

■ Denkmalpfleger Manfred Fischer im taz-Interview über Kongruenzen und Rollenkonflikte zwischen Denkmalschutz und Stadtplanung

Die Jahrestagung der deutschen Landesdenkmalpfleger findet diesmal in Hamburg statt.Auf ihrem Kongre? vom 26. bis 30. Juni beschäftigen sie sich mit der Hamburger Innenstadt. Manfred Fischer, Chef des Hamburger Denkmalschutzamtes und die letzten vier Jahre der Vorsitzende der Landesdenkmalpfleger, erläutert im Gespräch die Besonderheiten des Denkmalschutzes in Hamburg.

taz : Wie kam es zu dem Thema „Innenstadt“?

Fischer: Wir wollten an der Innenstadt von Hamburg überprüfen, was heute in einer deutschen Großstadt die City, die Altstadt ist und wie man mit dieser denkmalpflegerisch umgehen muß. Dieses Thema ist aber auch deswegen wichtig, weil gegenwärtig in den neuen Bundesländern viele Großstädte vor wichtigen Entscheidungen betreffs ihrer Altstädte stehen.

Wie kommt es dazu, daß die Denkmalpfleger sich mit aktueller Stadtplanung beschäftigen?

Die Denkmalpfleger arbeiten ja auch an der Stadtplanung mit. Und gerade in der Innenstadt ist die Denkmalpflege als kritischer Partner von ganz großer Bedeutung. Das Beispiel der Konferenz ist der Hafenrand. Wie sich da die Politik des Oberbaudirektors Egbert Kossak auswirkt, wo es da Kongruenzen gibt bei der Heilung vernachlässigter Gebiete, aber auch, wo es zu Rollenkonflikten kommt.

Wie sehen diese Konflikte aus?

Die Speicherstadt beispielsweise hat eine ganz bestimmte Funktion, und unser Interesse ist es, daß diese Funktion noch so lange funktioniert, wie irgend möglich. Ich kann aus der Speicherstadt kein Büro- und Boutiquenviertel machen, ohne sie kaputt zu machen. Auch das Kontorhausviertel, welches ein reines Bürohausviertel ist, kann ich nicht einfach umfunktionieren. Man muß den typischen Quartieren das an Funktion lassen, wofür sie gebaut wurden.

Ein durchgängiges Thema Ihrer Tagung scheint mir zu sein, wie Denkmalschutz auf Umnutzungsdruck reagiert.

Im Rahmen von Strukturveränderungen fallen viele Objekte brach. Das Reptil ist also weitergezogen, hat aber eine Häutung hinterlassen. Mit dieser Häutung müssen wir uns abgeben. Dann sind wir sehr froh, wenn wir einen Nachfolger bekommen, der die Bausubstanz optimal nutzt. Daß dabei Aspekte verloren gehen, ist zwangsläufig. Wenn ich aber die Architektur, die den Stadtraum mitprägt, bewahren will, dann ergibt sich oft eine interessante, Kontraste herstellende, neue Nutzung. Wohnumwandlung in Büros ist dagegen schon aus allgemein bevölkerungspolitischen Gründen ein Übel. Aber sie können es über Denkmalschutz alleine nicht verhindern.

Sie beschäftigen sich mit Planungsbrachen und Freiräumen in der Innenstadt. Wo ist hier das denkmalschützerische Anliegen?

Die 50er Jahre hatten die Vision vom fließenden Raum und den großen Freiflächen. Wir haben heute aber eine Verdichtung durch Blockrandbebauung und da geraten bestimmte Vorstellungen im Wirkungsbezugsraum von Architektur der 50er Jahre in Gefahr. Zum Beispiel ist das Unilever-Haus eine hervorragende Architektur. Nur diese Architektur braucht diesen Freiraum. Und da kann ich jetzt nicht herkommen und sagen, ich gewinne die Stadt zurück und mache Blockrandbebauung.

Sie beschäftigen sich des weiteren mit den Kontorhäusern und der Gründerzeitarchitektur.

Das 19. Jahrhundert hat tiefe Spuren in der Stadt hinterlassen, aber auch enorm Qualitätvolles hinzugefügt. Und da wird momentan sehr viel restauriert, und das wollten wir mal zeigen. Kernpunkt wird sicherlich die Restaurierung des Rathauses zum hundertsten Fertigstellungsjubiläum 1997 sein. Auch im Kontorhausviertel laufen Restaurierungen. Und das Interessante hier ist, daß das, was wir vor zwei Generationen als Verlustflächen bezeichnet haben, wie die südöstliche Altstadt, da steht heute das denkmalgeschützte Kontorhausviertel. Und das ist einfach spannend, Stadt viel prozeßhafter zu sehen. Wir sind ja nicht dazu da, irgenwelchen Idealbildern einer vergangenen Stadt hinterherzulaufen. Wir müssen die Stadt von heute akzeptieren, so wie sie ist.

Glaubt der Denkmalpfleger, daß von den Neubauten der letzten Jahre irgendwelche Kulturdenkmal werden können?

Kierkegaard hat einmal gesagt, Geschichte wird vorwärts gelebt und rückwärts begriffen. Deswegen muß diese Frage unsere Enkelgeneration beantworten. Ich bin mir aber ganz sicher, daß der Ost-West-Hof von Mirjana Markovic mit der grünen runden Fassade dem Mann und der Frau auf der Straße Bauchschmerzen machen wird und ihnen das bieder gestrickte rote Backstein-Bürohaus daneben mehr gefallen wird. Aber ich bin mir ganz sicher, daß in dem Bau von Frau Markovic viel mehr Spannung steckt, als in der 0815-Flanellware, die in Hamburg so gerne gemacht wird.

Aber ich glaube, der Bürger auf der Straße hat von dieser Backstein-Mode längst den Hals voll.

Das kann sein, aber das hat sich leider immer noch nicht bis in die Ortspolitik durchgesprochen.

Fragen: Till Briegleb

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