Gewalt, Sex, Drogen

■ Darius James will, daß jedem schlecht wird, der einen rassistischen Gedanken hat / Morgen liest er in Hamburg

Leiden Sie unter Negrophobia? Werden Sie von einer kalten, schweißtreibenden und undefinierbaren Angst überwältigt, weil Sie fürchten, eine Horde afrikanischer Pygmänen krieche heute nacht durch Ihre Schlafzimmerfenster und attackiere Sie mit womöglich gar vergifteten Pfeilen?

Diese Fragen stellt der 42jährige afroamerikanische Schriftsteller Darius James seinem Erstlingsroman Negrophobia voran. Morgen liest er daraus im Westwerk. Mit den Fragen unterstellt James ganz direkt, daß sein Buch etwas mit uns zu tun habe, mit unserem Rassismus, der Schwarze bis in die Träume hinein als Bedrohung empfindet. „Uns“, das meint: uns Weiße.

Unser weißer Stellvertreter in dem Buch, das so gar nicht wie eine normale Erzählung daherkommt, ist die Teenagerin Bubbles Brazil. Sie hat bereits einige Jugendkulturen hinter sich gebracht und trägt gerade eine mit Spritzen und Sicherheitsnadeln verzierte Lederjacke. Obwohl Bubbles „das einzige blonde Schamhaar“ auf der durchweg schwarzen Donald Goines Senior High School ist, trägt sie ihren Wahlspruch mit Würde: „You can never be too cool.“ Aber dann spickt sie in die Mojo-Bücher der schwarzen Magd, und diese verhext sie mit einem Voodoo-Zauber. Bubbles landet in einem hyperrealistischen Mahlstrom aus Gewalt, Sex und Drogen. Von Ninja-Queens wird sie mit mit Klappmessern geritzt. Sie trifft Dr. Mengele Duck oder den ehrwürdigen Elijah Muhammad, den Vorsitzenden der Nation of Islam, als onanierende Schokoladenfigur.

Da James den Text als Drehbuch zu einem nie gedrehten und nie gedreht werdenden Film fingiert, kann er eine Unmenge von verfremdeten historischen und populärkulturellen Figuren in den paranoid-rassistischen Bilderwelten Bubbles' vorbeisausen lassen. Dabei ist das Umkippen ins Groteske, Monströse und Brutale ein zentrales Motiv in James' Erstling, der von der linken Presse als Entdeckung gefeiert wurde. Penner tragen grobmaschige Netzstrümpfe und Plateaupumps, „crackrauchende Jugendliche“ verlieren „halbentwickelte Föten“. Gekippt wird in alle Richtungen – und keineswegs auf zurückhaltende Weise. Negrophobia ist ein drastisches, schonungsloses Buch, mit Hilfe der Technik einer bis auf die Spitze getriebenen Affirmation lauert es unseren versteckten rassistischen Vorstellungen bis zur Erregung von Übelkeit und hilflosem Gelächter auf. Der Klappentext zitiert Darius James so: „Ich will, daß jedem, der einen rassistischen Gedanken hat, körperlich schlecht wird.“ James muß ein willensstarker Mensch sein.

Bei seinen Lesungen ist James stark von Stimmungen abhängig. In Süddeutschland, wo er vergangene Woche auftrat, soll es zu maulfauler Verwirrung, aber auch zu mitreißenden Stand-Up-Comedies gekommen sein.

Volker Marquardt

Darius James: Negrophobia, Maas Verlag, 192 S., 23,– Mark; Lesung morgen, 21 Uhr im Westwerk, Admiralitätstr. 74