Müllplatz der Geschichte

Ein Trauerspiel: Der Palast im FEZ Wuhlheide steht – dem Park geht's schlecht. Womöglich dauert es 20 Jahre, um 5 Jahre Verfall wieder rückgängig zu machen  ■ Von Ute Scheub

„Wenn Kinder das Paradies erfänden“, jubelt ein 1994 veröffentlichter Stadtführer, „würde es wahrscheinlich nicht viel anders aussehen als das Freizeit- und Erholungszentrum in der Wuhlheide, kurz FEZ genannt.“ In Köpenick steht das Tor zum Paradies weit offen. Gleich am Eingang liegt der Hauptbahnhof der Parkeisenbahn, mit der man quer durch das 120 Hektar große Grünland fahren kann. Alles verrammelt und verstaubt. Das Schild mit dem Lageplan des Parks ist übermalt und unlesbar.

Weiter in die Wuhlheide hinein verdichtet sich der Eindruck, auf dem Müllplatz der Geschichte herumzutapsen. Die Freilichtbühne ist von Gras überwuchert. Die Rasthütten, wo früher die Jungen Pioniere zur Gitarre klampften, sind zerschlagen. Glassplitter, Holzstümpfe, Schrott: Kein einziges der im Park verstreuten braunen Häuschen, die zu DDR-Zeiten verschiedene Einrichtungen des „Pionierparks Ernst Thälmann“ bargen, scheint heil geblieben zu sein. Wen wundert's, daß auf diesem agoniedurchwehten Gelände sogar Morde passieren. Eine junge Frau ist hier neulich mit Benzin übergossen und verbrannt worden.

Aber jetzt endlich regt sich was. Rund um den FEZ-Palast nimmt der Lärm des Lebens wieder zu. Kindergeschrei in der Gaststätte nahe beim gitterumschlossenen Badesee und dem Abenteuerspielplatz, Begeisterung an den Tiergehegen des „Hauses Natur und Umwelt“. Das holzverkleidete Gebäude mit seinen sagenhaften 13.000 Quadratmetern Fläche, seinem Raumfahrtzentrum, seiner Schwimmhalle, Sporthalle, Theaterbühne, Computeria, Videothek, sieht von außen aus, als sei der Palast der Republik zu einer riesigen Jägerhütte mutiert.

Im Inneren quirlen Tausende von Kindern durcheinander, jagen durch Veranstaltungen, Aufführungen, Arbeitsgruppen. Durchschnittlich 1,3 Millionen BesucherInnen pro Jahr seien hier in den letzten drei Jahren gezählt worden, sagt FEZ-Öffentlichkeitsarbeiter Holger Rüh.

In der Geschichte des beispiellosen Niedergangs eines Vergnügungsparks ist der FEZ-Palast noch am glimpflichsten davongekommen. In den zwanziger Jahren war die Wuhlheide einer der größten und schönsten Volksparks in Deutschland; in den fünfziger Jahren wurde er auf Geheiß von Wilhelm Pieck zur „Pionierrepublik“ umfunktioniert; Ende der siebziger entstand mit dem Bau des Palasts das europaweit größte Kinderprojekt, das nach der Wende, ideologisch entrümpelt, als Touristenattraktion leicht in die neue Zeit hätte gerettet werden können. Statt dessen aber verfiel das Gelände, weil sich die Behörden jahrelang um die Zuständigkeiten stritten.

Erst letzte Woche wurden sie endgültig geregelt. Das Naturschutz- und Grünflächenamt des Bezirksamts Köpenick zeichnete für die Weiterplanung des Gesamtprojekts und für die nichtbewaldeten Parkteile verantwortlich. Die Senatsverwaltung für Umwelt übernahm den Waldpark. Der Senatsverwaltung für Kultur untersteht die Freilichtbühne, die am Mittwoch an eine Konzertagentur verpachtet und zum Umbau freigegeben wurde.

Das „Haus Natur und Umwelt“, das neben Ökologieberatung diverse Veranstaltungen für Gruppen und Schulklassen anbietet, wird mit Ach und Krach über die Senatsverwaltungen für Umwelt und für Jugend finanziert. Letztere bezahlt auch, zumindest in Teilen, für die Parkbahn, die tatsächlich noch fährt und derzeit 125 kleine Parkeisenbahner für einen Beruf bei der Bahn vorqualifiziert. Und sie zahlt für den FEZ-Palast, der zukünftig auch noch die Landesmusikakademie beherbergen wird. Um sein Überleben zu sichern, ließ ihn der damalige Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) Anfang des Jahres in eine landeseigene GmbH umwandeln, der Jahreszuschuß beträgt 12,5 Millionen Mark. Davon können 135 von ehemals 400 MitarbeiterInnen beschäftigt werden, von früher mehr als 300 Arbeitsgruppen gibt es heute nur noch rund 100.

Der Palast ist gerettet, der Park noch lange nicht. Dem Naturschutz- und Grünflächenamt Köpenick obliegt nun die schwierige Aufgabe, eine bereits entworfene Gesamtkonzeption für die Zeit nach der Jahrtausendwende durchzusetzen. Im ersten Schritt soll der Park für Autos gesperrt und die zerstörten Häuser nach und nach abgerissen werden. Amtsleiter Harald Büttner schätzt indes, daß es „30 bis 50 Millionen Mark kosten und noch zwanzig Jahre dauern wird, bis alles wieder in Schuß ist“. Zwanzig Jahre Wiederaufbau, weil die Verwaltungen fünf Jahre alles schluren ließen. Wahrscheinlich war man der Meinung, im Paradies wachse das Grün von selbst.