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Betr.: Lotte Ulbricht

Lotte Ulbricht schweigt seit 1973, dem Tode ihres Mannes Walter. Die 92jährige Witwe des DDR-Gründers lebt zurückgezogen im Ost-Berliner Stadtteil Pankow. Das Ende ihrer DDR lastet die geborene Lotte Kühn dem Feind ihres Gatten und Genossen an: Erich Honecker, Nachfolger Walter Ulbrichts. 1990 brach sie ihr Schweigegebot: „Honecker hat das Erbe meines Mannes verspielt.“

Die Vita der einst ersten Frau der DDR liest sich wie ein übererfüllter Plan. Mit 16 Jahren beginnt die Parteikarriere der Kontoristin – sie wird Mitglied der „Freien Sozialistischen Jugend“ in Berlin und kurz darauf Funktionärin im „Kommunistischen Jugendverband“. Vor Hitlers Schergen flieht die Kommunistin 1933 nach Moskau. Dort arbeitet sie bei der „Kommunistischen Jugendinternationale“, dann, als Sekretärin, für die Komintern. Die Mutter ist ihr höchste Instanz: „Ihr habe ich zu verdanken“, schrieb Lotte Ulbricht 1958 in der Wochenpost, „hartnäckig zu bleiben und nie auf halbem Weg steckenzubleiben.“

Im Hotel „Lux“, dem Moskauer Quartier für exilierte KP-Funktionäre, lernt Lotte Kühn den stalintreuen Walter Ulbricht kennen. Mit seiner „Gruppe Ulbricht“, die den sowjetischen Auftrag für einen demokratischen Neubeginn in Deutschland hat, geht sie im April 1945 nach Berlin und heiraten 1946. Für beide ist es die erste Ehe. Sie ist 43, er 53.

Lotte Ulbricht hält viele Reden, hat aber keinen Einfluß. Ihren Einsatz für die Emanzipation würdigt das Neue Deutschland 1968 mit einem einzigen Satz: „Genossin Ulbricht trug mit ihren Reden wesentlich dazu bei, die Gleichberechtigung der Frau in unserer Republik zu verwirklichen.“

Was ihr bleibt von der Spitzenposition, sind drei Orden: Die höchste Auszeichnung der DDR, der Karl-Marx-Orden, der Vollkommenheits-Orden von Ägyptens Präsident Nasser und, kleine Wiedergutmachung, 1987 die sowjetische Jubiläumsmedaille zum 70. Jahrestag der Oktoberrevolution.

Die Ulbrichts verinnerlichen die von der Außenwelt abgeschotteten Apparate der KP so sehr, daß sie Breschnews vorsichtige Annäherung an den Westen nicht mitkriegen, erklärt Ostexperte und Mitglied der „Gruppe Ulbricht“ Wolfgang Leonhard heute. Die Ulbrichts hetzen noch gegen Samba und Beatles, als man diese Musik längst auch in Ost-Berlin kaufen kann. Auf Moskaus Geheiß stürzt Honecker 1971 den Dogmatiker Ulbricht, die „graue pfeifende Maus“ (Gerhard Zwerenz, sitzt heute für die PDS im Bundestag).

Undank ist der Welten Lohn: Ulbrichts 13 Bände zur „Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“ verschwinden aus den Regalen, sein Name wird von öffentlichen Plätzen und Briefmarken getilgt. Noch nach dem Tod ihres Mannes verlangt Lotte Ulbricht vom Zentralkomitee der SED eine „angemessene Berücksichtigung“ ihres Mannes in der Parteigeschichte. Erfolglos. itz

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