: Kein Ende der Kämpfe in Nordbosnien
■ Kroatische und bosnische Truppen bilden eine neue Front bei Banja Luka. Mindestens 87.000 Serben sind auf der Flucht. Muslime werden aus Banja Luka vertrieben
New York/Zagreb (AFP/dpa/ taz) – Entgegen offiziellen Erklärungen haben kroatische Verbände und die bosnischen Regierungstruppen nach Angaben der UNO auf einem 50 Kilometer langen Abschnitt bei Banja Luka eine neue Front eröffnet. Kroatische Truppen sollen den Grenzfluß Una überschritten haben. Über den genauen Vorstöße lagen keine näheren Angaben vor.
Noch gestern vormittag hatte die kroatische Regierung die am Montag begonnene Offensive gegen serbische Stellungen für beendet erklärt. Dies habe Präsident Franjo Tudjman dem britischen Außenminister Malcolm Rifkind zugesagt, sagte Granić. Nach Angaben der UNO wurden dagegen die Kämpfe im Nordwesten und im Zentrum Bosniens auch gestern weiterhin mit großer Härte fortgesetzt. Bosnische Regierungstruppen hätten, unterstützt von kroatischen Verbänden, Stellungen der bosnischen Serben angegriffen und sie in Richtung Banja Luka zurückgedrängt.
Der kroatische Außenminister kam in Zagreb mit dem US-Sonderbeauftragten Richard Holbrooke und dem bosnischen Außenminister Muhamed Sacirbey zusammen. Ein geplantes Treffen Holbrookes mit Tudjman und dem bosnischen Präsidenten Alija Izetbegović in Zagreb verzögerte sich zunächst. Vor seinem Treffen mit Tudjman hatte Rifkind betont, ein Angriff auf Banja Luka würde zu einer „enormen Katastrophe“ führen und könne 250.000 Menschen zu Flüchtlingen machen.
Als Reaktion auf die muslimisch-kroatische Offensive in Nordbosnien haben die Serben die Vertreibung von Muslimen in der Region Banja Luka wieder aufgenommen. Nach Angaben eines Sprechers des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) wurden bereits am Freitag 205 Muslime aus Banja Luka nach Zenica vertrieben. Die Vertreibungen von weiteren 500 Muslimen sei angekündigt worden. Nach Angaben des UNHCR befinden sich zur Zeit 87.000 Menschen in Nordbosnien auf der Flucht. Die bosnischen Serben hätten 26 Aufnahmelager eingerichtet. In Banja Luka befänden sich 15.000 Flüchtlinge. Zwar gelangten Hilfskonvois des UNHCR ungehindert in die Stadt, doch seien vor allem die sanitären Einrichtungen in den drei großen Notlagern völlig unzureichend, sagte ein UNHCR-Sprecher in Genf. Es bestehe die Gefahr der Ausbreitung von Krankheiten, falls die sanitären Bedingungen nicht verbessert würden.
Bei einem Artilleriegefecht zwischen bosnischen Serben und der kroatischen Armee nördlich von Bihać sind zwei dänische UNO- Soldaten getötet und acht weitere verletzt worden.
Die bosnischen Serben setzten nach Informationen der Nato den Abzug ihrer schweren Waffen um Sarajevo gestern fort. „Aber es ist zu früh, um das Ergebnis dieser Operation vorherzusagen“, betonte ein Nato-Sprecher. Er wies zugleich darauf hin, daß mit der Öffnung des Flughafens von Sarajevo und einiger Zufahrtsstraßen weitere Auflagen erfüllt worden seien. Heute abend läuft das sechstägige Ultimatum der Nato ab.
UNO-Generalsekretär Butros Ghali hat in einem Brief an den Sicherheitsrat für ein Ende des militärischen Engagements der UNO in Bosnien ausgesprochen. Dies solle unabhängig davon geschehen, ob ein Friedensabkommen in Ex-Jugoslawien zustandekomme oder nicht. Ghali befürwortete statt dessen den Einsatz einer multinationalen Streitmacht, deren Aktionen wie in Haiti und im Golfkrieg vom UNO-Sicherheitsrat legitimiert werden müßten. Die Nato hatte bislang beschlossen, erst nach einem Friedensabkommen die UNO-Truppen durch eigene Verbände ersetzen zu wollen.
Seine Initiative begründete Ghali mit den Schwierigkeiten der UNO, ausreichend militärisches und ziviles Personal für die Friedensmissionen zu rekrutieren. Auch hätten zahlreiche Staaten ihre finanziellen Verpflichtungen gegenüber der UNO nicht erfüllt. Allein die USA stehen mit 1,18 Milliarden Dollar bei der UNO in der Kreide. gb
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen