: Schnelle Soße süßlich
■ Nur wenn Techno-Star Sven Väth als DJ Platten auflegt, hat er gute Momente
Wenn Rainald Goetz tanzt, sieht das putzig aus. Er lacht dabei immer so diebisch wie ein Sandkistenrocker, der einem Mädchen gerade einen „Was sich liebt, das neckt sich“-Streich gespielt hat. Irgendwann im Laufe dieser Samstagnacht wird Rainald Goetz – Schriftsteller, Rave-Philosoph undsoweiter – bestimmt mal wieder im Unit auftauchen.
Zuerst wird er sich ein Bier holen, und dann wird er zum DJ-Pult gehen. Dort wird der kleine Mann zwei- oder dreimal hochhüpfen, bis sein Gesicht über dem Rand des Pults zu sehen ist und der DJ ihn erkennt. „Ey, Rainald, alte Socke“, wird der DJ rufen. „Ey, Sven, alte Socke“ – und erst dann wird die Party richtig losgehen.
Sven ist Sven Väth, und Sven und Rainald sind gute Freunde. In Tempo hat Rainald einmal 75.600 Zeichen über Sven geschrieben – ein Artikel, der einen abgehärteten Goetz-Forscher, wie den Berliner Journalisten Stefan Ripplinger, zu dem Kommentar veranlaßte, in dem an abgedrehten Texten nicht gerade armen Goetz-Repertoire sei keiner so abgedreht wie dieser.
Der Literat schreibt dort über seinen Freund unter anderem, dieser sei „im Bund mit Feen, Faunen und Teufeln“. Die Musik des gebürtigen Offenbachers klingt tatsächlich so, als habe er etwas mit Feen am Hut und darüber hinaus mit Harlekinen und Ballettänzern (seine vorletzte CD heißt The Harlequin, The Robot And The Ballet Dancer). Sie ist kitschig und süßlich und im besten Fall aufdringlich nett – all das, was Techno nicht sein darf.
Ein Väth-Hasser hat einmal behauptet, daß dieser junge Mann, der in den letzten Jahren – nicht zuletzt als Mitbesitzer verschiedener Plattenfirmen – dazu beigetragen hat, die deutsche Pop-Außenhandelsbilanz zu verbessern, der Bono Vox des Techno sei. Was für eine Untertreibung! Sven Väth ist vielmehr der Michael Ende des Techno, und „Sven Väth, du hast mein Leben zerstört“ ist ein Titel, der unbedingt noch geschrieben werden muß.
So grauenhaft seine Platten sind: Wenn Väth auflegt, hat er seine Momente. Nicht weil er besonders gut mixt oder anderweitig mit den Platten arbeitet – das tut er kaum. Nein, Hardtrance, die von ihm bevorzugte Musik, macht einem derart die Birne weich, daß man, falls man drei, vier Stunden überstanden hat, nichts mehr dagegen hat, diese „schnelle Soße“ (Hans Nieswandt von Whirlpool Productions) noch drei, vier weitere Stunden über sich ergehen zu lassen. Außerdem kann sich Väth gut inszenieren. Es macht Spaß, ihm dabei zuzuschauen. Das sieht fast so gut aus, als wenn Rainald Goetz tanzt.
René Martens Sa., 23.9., 22 Uhr, Unit (Nobistor 24), zusammen mit Sven Dohse
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen