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Lächelnder Beton

■ „Betonmuseum“ und „Dunkelkammer“ auf dem Treujanischen Schiff

Sechzig paar Schuhe steigen die breite Treppe ins Innere des „Treujanischen Schiffs“ hinab: an Bord des 1943 aus Beton gebauten Kümos können es nur Schuhe aus Beton sein. „Es ist in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts das Material überhaupt“ sagt Tim Thyzel und weist auf sein „Betonmuseum“ im hinteren Teil der Ladeluke hin. Seit Jahren sammelt der Hamburger Künstler Dinge aus Verbundstein und gibt alltäglichen Formen durch Betonguß neues Gewicht.

Dabei erhält eine sonst kaum wahrgenommene Parallelwelt negativer Volumen bedeutende Schwere, deren Artenvielfalt bereits im Aussterben ist. Denn selbst die weite Welt achtlos entsorgter Plastikverpackungen sind durch europäische Normierung bedroht. Wie gut, daß der 29jährige da mit seinem spröden „Heimatmuseum“ den Bestand sichert: Gummibärchen und Sparschweine, Pistolenverpackungen und Koffer, Babyschiffchen und Mülleimer, aber auch Gehwegplatten und als Krönung ein Stück der Berliner Mauer behaupten ihre materielle Präsens in virtuellen Zeiten.

„Nur der Betonkopf fehlt noch“, meint der Künstler und läßt mit dem „Klotz am Bein“ oder den mafiamäßig eingegossenen „Sizilianischen Stiefeln“ erkennen, daß Humor mit zum Arbeitsmaterial gehört. Auf zehn Tafeln zeigt Tim Thyzel zudem seine visuellen Notizen zu dem was die Behörden so aus Beton machen lassen, eine skurrile Schau zwischen schierer Scheußlichkeit und skulpturaler Sinnlichkeit.

Im schwimmenden Betonklotz gerät nicht nur durch die Wellen die Wahrnehmung ins Schwanken. Im düsteren ehemaligen Maschinenraum mit seinen Brandspuren auf dem nackten Beton haben die Bordfotografen Ute Klapschuweit und Claas Adler die Installation „Dunkelkammer“ eingerichtet. In Relation zu den Strukturen auf der Wand haben sie unfixierte Fotoschnipsel montiert, eine Sichtbarkeit im Wandel.

Mit Künstlern als Mannschaft, Beton im Bauch, Ideen an Bord und Wellen im Internet ist das Treujanische Schiff das Frischeste, was in letzter Zeit von der Kunsthochschule aus in Erscheinung getreten ist. Hajo Schiff

Bei der Fischauktionshalle, „Betonmuseum“ bis 23.9., „Dunkelkammer“ bis 24.9.

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