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Logische Konsequenz oder Mißverständnis?

■ Kunstraum Elbschloß: Der Künstler Remy Zaugg hat Probleme mit einer konzeptionellen Ausstellung seiner Werke

Der Künstler sah die Ausstellung – war einen Tag sprachlos und dann entsetzt. Die Kuratorin sah die Ausstellung – und wußte auch nicht, was sie da angerichtet hatte. Auf der Vernissage waren sich beide einig, das alles hier ginge sie überhaupt nichts an. Und dennoch ist im Elbschlößchen hinter der stillgelegten Brauerei an der Elbchaussee eine in ihrer konsequent zuende gedachten Präsentation äußerst bedeutende Ausstellung zu sehen.

Denn die Künstler und Kunstvermittlerin gleichermaßen gefühlsverwirrende Veranstaltung ist zwar nahezu völlig von fünfzehn Hamburger Designern, Antiquitätenhändlern und Zeitschriftengestaltern realisiert worden, ist aber trotz ihres überbordenden Eindrucks eine logische Fortentwicklung karger Kunsttheorie.

Man kann in dem klassizistischen Landhaus an der Elbchaussee in Möbeln und Stoffen schwelgen und die Ambiente wie eine edle Messe schöner Showrooms goutieren. Dabei braucht man nicht zu bemerken, daß dies eine Ausstellung der Bilder des Schweizer Malers Remy Zaugg ist, denn den strengen Bildern – hellgraue Schrift auf hochfein geschliffenen weißen Acryloberflächen – geht es dabei wie im richtigen Leben außerhalb der heiligen Museumshallen: sie werden oft ganz übersehen.

Im Gegensatz zu allen anderen Künsten behauptet die ausgegrenzte Fläche des Bildes einen besonderen, fast heiligen Ort. In der Moderne verzichtet dieser spezielle Ort meist auf die Fassung durch den abgrenzenden Rahmen und öffnet sich zum Raum und dem Betrachter. Doch dafür fordert es einzelne Hängung, eine neutrale Wand und einen bedeutenden Umraum: Galerie und Museum. Doch auch dort steht ein Bild nicht für sich allein, es verbindet sich immer mit seiner Umgebung. Das wissen die zeitgenössischen Künstler und gestalten ihre Ausstellungen selbst mit oder inszenieren gleich ganze Raumsituationen.

Doch hat Zaugg als intellektueller Maler auch in seiner Theorie die eigentliche Autorschaft an seinen Werken programmatisch an den Betrachter abgetreten und Malerei zu einem Gebrauchsgegenstanderklärt: „Das Bild ist ein Instrument der Wahrnehmung, (...) ist ein im Werden begriffenes Bild. Ich, der Maler habe das Projekt dazu geliefert: Ich habe ein „Bild- Projekt“ gemalt“.

Von diesen Sätzen ging die Kuratorin Birgit Gatermann aus, läutete den Wettkampf mit dem Design ein und ließ die Wohnraumgestalter die Bilder hängen. Die aber sind die härtesten Konkurrenten des Künstlers. Sie fordern für die Wirkung ihrer Erzeugnisse eben jene Aura ein, die die Kunst ihrerseits aufzugeben fortgesetzt vorgibt. So entstanden dann teils kunstfeindliche Räume (aus dreien davon hat der Künstler nach tagelanger Überlegung die Bilder entfernt), teils Räume, die die Bilddarstellung, also den abgebildeten Text, wörtlich kommentieren. Zum Bildtext „GEBLICHEN GESTRICHEN VERGESSEN GESTORBEN ERLOSCHEN VERBLICHEN ERSTORBEN VERGANGEN“ wird auf goldener Wand eine Uhr projeziert und das Bild auf Trauerschwarz gehängt.

Doch meist vermittelt sich die Botschaft einer anderen Bilderreihe, die der „Blind-Bilder“. Bei diesen wehrt sich die Leinwand auf subtile Weise und erklärt sich selbst für blind, um nicht den nachlässigen Betrachter zu beschimpfen. Doch sie gibt auch Anstöße, zu sehen, was uns den Blick verstellt und inmitten unendlicher Bilderflut erblinden läßt.

Hajo Schiff

„Gegenstand Bild“, Kunstraum Elbschloss, Georg-Bonne-Str. 19, Di-So 12-18 Uhr, bis 15.Oktober

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