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Langsamer Marsch in neue Medien

Der Bertelsmann-Konzern hat 805 Millionen Mark verdient. Er setzt auf stetiges Wachstum in Teilmärkten. Der Online-Dienst beginnt vor dem Weihnachtsgeschäft  ■ Aus Gütersloh Michael Rediske

Lässig lehnt sich Mark Wössner zurück: Jedes Jahr seit 1989 ist der Umsatz seines Hauses zwischen sieben und zehn Prozent gewachsen, diesmal gar um fast 12 Prozent. „Langweilig“ sei diese Kurve, findet der Bertelsmann-Chef auf der Bilanzpressekonferenz, „aber sie gefällt mir“. Mit jetzt 20,6 Milliarden Mark Umsatz hat der Konzern eine Schallmauer durchbrochen. Immer mehr drängen sich die US-Aktivitäten in den Vordergrund: In nur drei Jahren haben sie um 50 Prozent zugenommen und machen jetzt ein Viertel des Umsatzes aus. Das Inlandsgeschäft (plus 7 Prozent) dagegen nennt Wössner „mühselig“, wegen „gedämpfter Konjunktur“. Der Jahresüberschuß des Konzerns (nach Steuern) ist um 6,1 Prozent auf 805 Millionen Mark gestiegen.

Neues gab es von dem Joint- venture mit „America Online“ (AOL). Er hätte es in Europa ja lieber „Bertelsmann Online“ genannt, plaudert Wössner, aber das hätten seine Vorstandskollegen verhindert, um die „dezentrale Struktur“ zu demonstrieren. America Online soll in Deutschland „noch vor dem Weihnachtsgeschäft“ starten. Die Schätzungen über künftige Abonnentenzahlen sind vorsichtig nach den schlechten Erfahrungen mit dem Pay-TV- Sender „Premiere“, wo man seit langem die erste Million herbeizureden versucht (derzeit: 930.000). Für das Online-System hat Thomas Middelhoff, im Konzernvorstand für Multimedia zuständig, bis zum Jahr 2000 eine Million Teilnehmer in Europa kalkuliert. Weltweit erwartet aber AOL bis Mitte 1997 schon 10 Millionen Abonnenten.

Für Europa kündigt Middelhoff die Gründung einer Netzwerkgesellschaft an, die sich um die nötigen Telekommunikationskapazitäten kümmern soll. Partner soll, neben der US-Gesellschaft American Network Services, „so ein Großer“ (es folgt eine typische Handbewegung) sein. „Ist es die VEBACOM?“ Middelhoff, Jüngster und Shooting-Star im Vorstand, lacht breit übers Gesicht – schließlich wissen Fachleute: Da wird verhandelt. Und was, wenn Bertelsmann nach den großen Fusionen der US-Medienkonzerne mit Kabelgesellschaften, Filmstudios und TV-Networks in der Umsatzrangliste der ganz Großen abruscht? Wössner stört das überhaupt nicht: Für ihn zählen die Positionen in Teilmärkten. Da habe man mit dem Rezept, klein einzukaufen und selber zu wachsen, die besten Erfahrungen gemacht.

Auch bei Multimedia setzt man eher auf Vorsicht. Für die nächsten zwei bis drei Jahre ist die eher bescheidene Investitionssumme von 100 Millionen Mark geplant. Zum Vergleich: Allein die eine Million Decoder, die Leo Kirch gerade bei Nokia bestellt hat, dürften mindestens 600 Millionen Mark kosten. Doch die Bertelsmann-Vorstände sind überzeugt, daß das digitale Fernsehen längst noch nicht im Frühjahr kommt, wie Leo Kirch es in seiner PR-Veranstaltung auf der Funkausstellung dargestellt hat. Die einzig rentable Basis dafür seien bislang die „Premiere“- Abonnenten, meint der Bertelsmanns-Vorstand. Und da hat der Konzern die Mehrheit, zusammen mit dem französischen Partner Canal+, der schon einen eigenen Decoder entwickelt hat. Dieses Gerät und nicht das von Kirch wird eingeführt – selbst wenn man sich vor Gericht noch eine Weile streiten müßte. Mehrheit ist Mehrheit.

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