Die Entlassung von Greenpeace-Kampagnenleiter Ulrich Jürgens zeigt: Thilo Bode, der neue Chef des Umweltkonzerns, will die Zügel straffen. Jürgens Fehler war, daß er die verpatzte Moruroa-Aktion öffentlich kritisierte - und Namen nannte.

Die Entlassung von Greenpeace-Kampagnenleiter Ulrich Jürgens zeigt: Thilo Bode, der neue Chef des Umweltkonzerns,

will die Zügel straffen. Jürgens Fehler war, daß er die verpatzte Moruroa-Aktion öffentlich kritisierte – und Namen nannte.

Unser Deck soll schön sauber bleiben

Einen „Kulturkampf“ sehe er bei Greenpeace, gar einen Aufstand gegen die Deutschen. „Das ganze Gerede von der strengen Hierarchie bei Greenpeace ist eine Mär“, sagte der Leiter der Moruroa-Kampagne Ulrich Jürgens frank und frei dem Spiegel. Entscheidungen, die gegen die Interessen bestimmter Gruppen innerhalb der Organisation fallen, würden „schlicht nicht akzeptiert“.

Jürgens hatte die Greenpeace- Aktion gegen die Wiederaufnahme französischer Atomtests nahe Moruroa als „Katastrophe“ bezeichnet und in der britischen Tageszeitung Guardian sogar öffentlich die Namen der Schuldigen für das Scheitern genannt: Stephanie Mills und Xavier Pastor, die beiden Campaigner auf der Rainbow Warrior und der MV Greenpeace, die Kapitäne Jon Castle und Peter Schwarz und die Hubschrauberpilotin Paula Huckleberry. Sie hätten sich den ausdrücklichen Befehlen der Moruroa-Einsatzleitung in Papeete widersetzt. Deshalb trügen sie die Verantwortung dafür, daß nicht nur das Flaggschiff Rainbow Warrior, sondern auch das Versorgungsboot MV Greenpeace von der französischen Marine beschlagnahmt wurde.

Tatsächlich war der neue Chef von Greenpeace International, der Deutsche Thilo Bode, stinksauer auf die Aktivisten, die die Anti- Atomtest-Kampagne mehr oder weniger zum Erliegen brachten. Indem sie eigenmächtig entschieden, von der MV Greenpeace aus Schlauchboote und den Hubschrauber in die Zwölfmeilenzone zu entsenden, hatten sie der französischen Marine den Vorwand zum Entern des Schiffes gegeben. Bis heute sind die Greenpeace- Schiffe in den Händen der Franzosen. Größere Aktionen sind so unmöglich geworden.

Noch wütender war Bode aber über das Verhalten des Kampagnenleiters Ulrich Jürgens. Zurück in Amsterdam, traf sich Jürgens mit seinem Chef. Da er seine öffentliche Kritik nach wie vor für gerechtfertigt hielt, während Bode auf Gehorsam bestand, ist Jürgens am Freitag zürückgetreten. Gefeuert worden sei er nicht. „Da sie nicht zu einer Übereinstimmung kamen, hatte Ulrich keine andere Möglichkeit“, betont Richard Titchen, einer der Direktoren von Greenpeace International. Er rügt Jürgens Verhalten. Es sei in der Organisation üblich, Kritik ausschließlich intern zu üben.

Thilo Bode scheint die Zügel straffen zu wollen. Denn zugleich wurde bekannt, daß höchstwahrscheinlich die in London ansässige Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit nach Amsterdam verlegt werden soll. Dort sind die Büros der internationalen Dachorganisation, dort residiert Thilo Bode. „Wir sind inzwischen eine Organisation mit weltweit mehr als tausend Mitarbeitern und können uns nicht mehr benehmen, als wären wir ein Haufen von Hippies“, verteidigt Direktor Titchen den strengen Kurs.

Ein ehemaliger Kampagnenleiter von Greenpeace International dagegen kommentierte seine Bedenken gegen Bodes neuen Stil. „Thilo muß erst noch lernen, daß er eine internationale Organisation mit Büros in über dreißig Ländern nicht so führen kann wie sein deutsches Büro“, so der Ex-Greenpeacler. Er sehe zwar ein, daß eine so groß gewordene Organisation bindende Regeln und hierarchische Strukturen benötigt. Doch zugleich liege genau da der Hund begraben. Blind irgendwelchen Befehlen zu folgen, widerspreche schließlich der Greenpeace-Idee und den Idealen der AktivistInnen vor Ort. „Was Greenpeace so stark macht, ist das Gewissen der Leute, die sich engagieren“, glaubt der ehemalige Kampagnenleiter, „und nicht das perfekte Ausführen von Befehlen.“

Gerade Jürgens sei jemand gewesen, der totale Kontrolle ausüben wollte, beschreibt ihn sein ehemaliger Mitstreiter. Darin sei er seinem Landsmann Bode gar nicht so unähnlich. Eine militärische Befehlsstruktur und die kriegerischen Metaphern, derer sich gerade auch Jürgens befleißigte, könnten Greenpeace in eine vertrackte Lage manövrieren. Die Öffentlichkeit auf der einen Seite giert nach einer Eskalation der Mittel und wendet sich möglicherweise enttäuscht ab, wenn die Umweltfighter in einer Seeschlacht ihre Schiffe verlieren. Auf der anderen Seite könnte eine Zentralisierung, wie Bode sie anstrebt, zu internen Widerständen führen.

Letzteres deutlich ausgesprochen zu haben, war Jürgens Vergehen. Die Deutschen geben die Richtung vor, denn schließlich schaffen sie das Geld herbei. Die beiden höchsten Posten bei Greenpeace International werden von Deutschen gehalten, Thilo Bode als Geschäftsführer – um nicht zu sagen: Konzernmanager – und Uta Bellion als Vorstandsvorsitzende.

Viele langjährige AktivistInnen aus anderen Weltgegenden, zum Beispiel die Greenpeace-MitarbeiterInnen aus den Ländern des Südpazifik, die schon seit Jahrzehnten gegen die Atomtests in ihrer Region kämpfen, fühlen sich da gelegentlich von den strammen Deutschen überrannt. „Für die sind wir deutsche Panzerwagen mit Dampfwalzenmentalität“, hatte auch Jürgens erkannt. Interne Aufstände wie die Befehlsverweigerung der Schiffscrews vor Moruroa Anfang September bleiben da mitunter nicht aus. Nicola Liebert