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„Dyba betreibt Entzug der Nächstenliebe“

■ Inge Wettig-Danielmeier kritisiert die Anti-Abtreibungsinitiative des Bischofs

taz: Der Fuldaer Bischof Dyba hat die Beratungsbescheinigung, die Frauen für eine Abtreibung brauchen, als „Tötungslizenz“ bezeichnet. Während der heute beginnenden Herbstversammlung der katholischen Bischöfe will er durchsetzen, daß die katholischen Beratungsstellen aus der staatlichen Schwangerschaftsberatung aussteigen. Hat ein Bischof das Recht, sich so stark in das Leben von Frauen einzumischen?

Wettig-Danielmeier: Ob er als Seelsorger das Recht hat, kann ich als Nichtkatholikin nicht beantworten. Aber ich bin sehr irritiert darüber, wie sehr in dieser Kirche Frauen und ihre Probleme mißachtet werden. Katholikinnen treiben nicht weniger ab als andere Frauen.

Welche Folgen hat es für hilfesuchende Frauen, wenn Dyba erfolgreich ist?

Das Gesetz als solches wäre in keiner Weise gefährdet. Ein Problem sehe ich darin, daß das vom Gesetzgeber gewünschte, pluralistische Angebot beschnitten würde. Die katholische Kirche würde ihre eigenen Leute bestrafen, indem sie den Frauen die sozialen Beratung versagt und sie alleine läßt.

Müssen Frauen zum Beispiel in Bayern nun nicht nur für den Abbruch, sondern schon zur Schwangerschaftskonfliktberatung in ein liberaleres Bundesland reisen?

Nein, denn alle Bundesländer sind gesetzlich verpflichtet, Beratungsstellen vorzuhalten. Wenn die katholische Kirche sich aus dem Beratungsangebot zurückziehen sollte, bleiben immer noch Pro Familia, die Arbeiterwohlfahrt, die evangelische Kirche und andere Organisationen.

Aber die sind doch sowieso schon komplett überlastet.

Das ist richtig. Es mag auch für eine gewisse Zeit einen Engpaß geben, vor allem in ländlichen Regionenen, in denen das pluralistische Angebot sowieso nicht ausgebaut ist. Aber die Länder sind verpflichtet, die vorhandenen Beratungsstellen zu unterstützen. Außerdem könnte das jeweilige Bundesland versuchen, ÄrztInnen zu aktivieren, um die entstandene Lücken kurzfristig zu schließen.

Sie fürchten also nicht, daß Frauen zu einem neuen Abtreibungstourismus gezwungen werden könnten?

Nein. Sollte die katholische Kirche sich zu diesem Schritt entschließen, würde ich dies vor allem deswegen bedauern, weil nicht mehr alle Frauen die Beratung bekommen, die sie sich wünschen. Denn das halte ich schon für sehr wichtig.

Wie hoch sind die staatlichen Zuschüsse, die die kirchlichen Beratungsstellen bekommen?

Das ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Es gibt auch kommunale Zuschüsse, deren Höhe jeweils wieder von den einzelnen Gemeinden bestimmt wird.

Können kirchliche Beratungsstellen mit staatlichen Zuschüssen rechnen, wenn sie sich weigern, die Beratungsbescheinigung für den Abbruch auszustellen?

Das kommt darauf an, woran die staatliche Unterstützung gebunden ist. Meistens machen die Stellen Familienberatung, zu der auch die Schwangerschaftskonfliktberatung zählt. In solchen Fällen kann dann höchstens das Geld für die Schwangerschaftskonfliktberatung gestrichen werden.

Das kann aber bedeuten, daß die vorhandenen Beratungsstellen zwar noch mehr Arbeit bekommen, aber keine neuen Leute einstellen können, weil dafür das frei gewordene Geld nicht reicht?

Da gäbe es sicher einen Engpaß, aber das würde sich mit der Zeit ausgleichen lassen. Besondere Schwierigkeiten wären in Bayern, aber in den neuen Bundesländern, und hier vor allem in Sachsen und Thüringen, zu erwarten. Dort sind die katholischen Stellen sehr stark vertreten.

Halten Sie es für tragbar, daß ein Bischof so versucht, staatliches Recht auszuhebeln?

Das ist vielleicht sein Wille. Aber das kann ihm nicht gelingen. Was Dyba betreibt, ist der Entzug der Nächstenliebe gegenüber gläubigen Frauen. Daran scheitert kein Gesetz. Interview: Karin NinkKommentar Seite 10

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