: Kein Rezept gegen Protzsucht
Klagelied eines italienischen Anlage- und Imageberaters, notiert ■ Von Werner Raith
Das Problem stellt sich weder bei den ganz, ganz Reichen noch bei den nur Begüterten. Es stellt sich vor allem bei denen, die man als mittelschwerreich bezeichnen könnte. Die möchten im Regelfall drei Dinge unter einen Hut bringen, die nun absolut nicht zusammenpassen. Sie möchten erstens eine so schlitzohrige Geldanlage, daß ihr Vermögen schnell weiterwächst, aber sie möchten es, zweitens, möglichst geheim anlegen, damit die Steuer oder irgendwelche Staatsanwälte nicht darauf aufmerksam werden. Und sie möchten, drittens, dann doch so viel von ihrem Mammon sichtbar werden lassen, daß sowohl die noch Reicheren, zu denen sie stoßen wollen, wie die Ärmeren, von denen sie sich abheben wollen, in ihnen wichtige Persönlichkeiten erkennen.
Das ist für den Anlageberater eine verdammt heikle Angelegenheit. So zum Beispiel gehört für jeden Mittelschwerreichen mindestens eine Sommervilla am Meer und eine in den Alpen zum statussymbolischen Muß. Auch eine Motoryacht ist unabdingbar, der Geländewagen sowieso, bei bestimmten Schichten auch kleinere Accessoires wie die Rolex, das neueste Handy und mehrere Bedienstete. Vergeblich unser Rat, nicht zu überziehen: Wenn man schon protzen will, sollte man zumindest seine Angelegenheiten mit der Steuer geordnet haben. Doch es nützt nichts, und irgendwann geraten sie dann doch ins Netz der Steuerfahndung. Und dann geht ein grauenhaftes Gejammer los, Tag und Nacht liegen sie einem auf der Leitung, betteln um Rat.
Vor dem Staatsanwalt wird's dann regelrecht komisch. Wo sie noch vor zwei Minuten den Nachbarn gegenüber mit ihrer Villa in Cortina und ihrem Sechzehnmeter-Skipper vor Panarea geprahlt haben, gehört das Sommerdomizil plötzlich einer Tante, die Yacht dem Schwiegersohn, und der Wagenpark ist sowieso nur geleast.
Natürlich ist der Imageverlust total, denn sich erwischen lassen ist schon schlimm genug, aber kneifen – nein, das verzeiht weder die Unterschicht noch die Klasse der Superreichen. So suchen die meisten wieder aufzuholen, indem sie nach überstandener Überprüfung (und meist klammheimlicher Begleichung der Steuerschulden) so tun, als seien sie besonders gerissen und hätten mit ihrem „Kneifmanöver“ weitere Milliarden gescheffelt.
Geiz ist häufig die Tugend der Superreichen
Rein theoretisch kann man ja bei Einkünften von mehreren Milliarden Lire auch nach Abzug aller Steuern noch ganz luxuriös leben – und man kann diesen Luxus dann getrost auch sehen lassen. Will man das nicht und sich lieber durch die Gesetze durchjonglieren, sollte man auch das Image des Bescheidenen aufrechterhalten. Aber das gelingt nur den wenigsten. Wer vorher arm war und heute reich ist, will das ja auch zeigen. Das Problem ist dabei der Staat, denn der braucht ab und zu auch seine Opfer. Und wenn's mal schnell gehen muß mit dem Beweis, daß der Fiskus ernst macht mit seinem Vorgehen gegen Steuersünder, sind eben die auffälligsten zuerst dran.
Ich selbst versuche meinen mittelschwerreichen Kunden ein Rezept zu verkaufen, das heißt: „Eigentlich bräuchte ich ja noch ...“ Will heißen: immer etwas weniger erwerben als der Lebensstandard „eigentlich“ vorschreibt. Ein Auto weniger als die anderen in gleicher Lage – da kann man den Steuerprüfern getrost sagen: „Sehen Sie, eigentlich bräuchten wir seit längerem noch ein Auto, aber wir können's uns nicht leisten ...“ Oder die Motoryacht nur für den Sommer mieten, vom Handy genügt auch die vorletzte Version. Macht gar nichts, wenn man als geizig angesehen wird – das ist ja schließlich oft die Tugend der Superreichen.
Reich werde ich selbst bei all diesen Ratschlägen leider nicht. Weil ich von meinen Kunden verlange, daß sie ihre vermeintliche Haupttugend, ihre Protzsucht, zügeln, verliere ich die meisten von ihnen ganz schnell wieder.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen