Die Währungsunion kommt später

Nur die EU-Kommission hält noch am Termin 1999 für die gemeinsame Euro-Währung fest. Auch für die Bundesregierung ist der Zeitpunkt für die Währungsunion noch offen  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Die Europäische Kommission in Brüssel wehrt sich noch. Die Wirtschafts- und Währungsunion müsse 1999 beginnen, beharrte gestern der zuständige Kommissar, der Franzose Yves Thilbault de Silguy. So stehe es im Maastrichter Vertrag. Doch Silguy ist inzwischen ziemlich allein. Selbst die Bundesregierung schließt eine „geringfügige Verschiebung“ des Termins nicht mehr aus.

Das Thema war auf dem turbulenten Treffen der Staats- und Regierungschefs der 15 EU-Staaten am Wochenende auf Mallorca erneut zur Sprache gekommen, nachdem Bundesfinanzminister Theo Waigel wenige Tage vorher mit unbedachten Äußerungen die italienische Lira zum Absturz gebracht hatte. Der deutsche Finanzminister hatte in einer nichtöffentlichen Sitzung des Finanzausschusses im Bundestag gesagt, daß Italien vermutlich nicht in der Lage sei, 1999 die Aufnahmekriterien für die Währungsunion zu erfüllen. Die Lira fiel daraufhin um fünf Prozent gegenüber der D-Mark.

Bundeskanzler Helmut Kohl hat deshalb auf Bitten des römischen Regierungschefs Lamberto Dini im italienischen Staatsfernsehen RAI wolkenreich erklärt, daß Italien als Gündungsmitglied der EU zum Kern Europas gehöre und daß es im Interesse Deutschlands sei, wenn möglichst viele Länder bei der Währungsunion dabei sein könnten. Der Vorschlag, die Einführung der gemeinsamen Währung zu verschieben, wurde von Dini ins Spiel gebracht.

Die gestrige Erklärung aus Bonn kann auf diesem Hintergrund nur bedeuten, daß die Bundesregierung bereit ist, ein wenig zu warten, um Italien doch noch eine Chance zu geben. Allerdings legt die Bundesregierung Wert auf die Feststellung, daß nur eine geringfügige Verzögerung in Frage komme, keinesfalls aber ein Aufschub auf unbestimmte Zeit.

Im Vertrag von Maastricht ist der Beginn der Währungsunion eigentlich bereits für 1997 beschlossen worden, jedoch unter der Voraussetzung, daß mindestens die Hälfte der EU-Mitglieder die Bedingungen erfüllen, das heißt eine niedrige Inflationsrate und eine geringe Staatsverschuldung aufweisen. Weil derzeit nur Deutschland und Luxemburg dafür in Frage kämen, wurde dieses Ziel bereits im Juni dieses Jahres abgehakt. Für einen Start in die gemeinsame Währung 1999 genügt es nach dem Vertrag von Maastricht, wenn einige Länder die Kriterien erfüllen.

Seit Monaten wechseln sich Bundesbankchef Hans Tietmeyer und Finanzminister Waigel darin ab, vor einer Aufweichung der Kriterien zu warnen. Die Euro-Währung müsse genauso stabil sein wie die deutsche Mark. Sie fürchten, daß die Regierungen aus politischen Gründen ein Auge zudrücken, nur damit die Währungsunion überhaupt zustande kommt. Denn auch Frankreich, Belgien und die Niederlande haben erhebliche Schwierigkeiten, ihre Inflationsraten oder ihre Staatsverschuldung auf das geforderte Maß zu senken.

Die Bereitschaft der Bundesregierung, den Beginn der gemeinsamen Währung zu verschieben, ist nicht ganz so neu. Sie hat es bisher nur nicht so deutlich gesagt. Daß die Einhaltung der Stabilitätskriterien wichtiger sei als der Zeitplan, gehört zu den uralten Floskeln, die Waigel und Tietmeyer seit langem und bei jeder Gelegenheit vortragen. Gestern war wieder so eine Gelegenheit.