Wenn's vitale Interessen verlangen

■ Wo es darauf ankam, stand die SPD hinter Kimme und Korn

Die SPD zu beschimpfen, ist wahrlich einfach. Sie ist immerhin die älteste deutsche Partei, und von Bismarck bis heute gab es viele Gelegenheiten, um Fehler zu machen. Trotzdem fällt das Versagen der SPD auf dem Rüstungssektor und bei Großprojekten auf, die von der Industrie und ihren politischen Bataillonen zu nationalen Fragen hochstilisiert wurden und werden. Nicht nur die oftmals kritisierte Bewilligung der Kriegskredite von 1914 fällt darunter oder die Entscheidung für die großen Panzerkreuzer der Marine unter SPD-Reichskanzler Hermann Müller Ende der 20er Jahre – Sargnägel der Arbeiterbewegung und fast schon vernarbt.

Peinlich für die heutigen Sozis, daß die Reihe danach munter weitergeht. Da gibt es nicht nur Beispiele für Gigantismus: Als die SPD in Bonn an die Regierung kam, pflasterte sie die Republik mit Autobahnen zu. Erst diese Woche stimmten SPD-Länder für den Transrapid – ein Zehnmilliardengrab, das nur wenige hundert Arbeitsplätze sichert. Und die Rüstungsindustrie blieb auch unter den Sozis ein Sakrileg, das unter allen Umständen erhalten werden muß. Helmut Schmidt genehmigte den Export von Atombombentechnik nach Argentinien und Brasilien unter Protest der US-Regierung, aber unter wohlwollendem Brummeln von Siemens.

Und es war auch unter dem genialischen Weltökonom Schmidt, als die Exportkriterien für deutsche Rüstungsgüter gelockert wurden: 1982 änderte die Regierung Schmidt die Formel „kein Export in Spannungsgebiete“ um in „keine Exporte in Nicht-Nato- Staaten, außer wenn vitale Interessen der BRD betroffen sind“.

„Die steigenden Rüstungsexporte in den ersten Jahren der Kohl-Regierung gingen also noch auf das Konto der SPD“, sagt Jürgen Grässlin von „Ohne Rüstung leben“. Vorher waren Exporte von Leopard-II-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien an der rechtlichen Hürde „Spannungsgebiete“ und dem wütenden Widerspruch der Israelis gescheitert. Doch für deutsche U-Boote und Kampfschiffe in aller Welt machte sich nicht nur in den 70er Jahren die SPD stark. Die norddeutschen SPD-Landesfürsten werfen auch heute noch ihren Einfluß für die Kriegswerften in den Ring. Und für die Entstehung der Rüstungskrake Daimler-Benz mit MBB, Dornier, AEG und den Motorenbauern MTU war die Zustimmung der SPD-Ministerpräsidenten 1988 und 1989 genauso entscheidend wie die Geburtshilfe durch Franz-Josef-Strauß. Reiner Metzger