piwik no script img

Frankreichs Atomnebel über Brüssel

■ Frankreich läßt EU-Inspektoren nicht auf das Atombomben-Gelände in Moruroa. EU-Beamte mauscheln

Brüssel (taz) – Auch vor dem zweiten Atomtest dieser Serie im Südpazifik läßt sich die EU-Kommission von Frankreichs Präsident Jacques Chirac vorführen. Auf dem Moruroa-Atoll haben drei EU-Inspektoren in den vergangenen Tagen vergeblich versucht, Zugang zu den militärischen Anlagen zu bekommen. Währenddessen behaupten die offiziellen Sprecher der Kommission in Brüssel steif, daß die Überprüfung vor Ort normal verlaufe.

Offensichtlich gibt es innerhalb der Kommission einige Beamte, die im Auftrag der französischen Regierung die rechtliche Überprüfung darüber behindern, wie weit die Kommission zuständig ist. Aus einer geheimen Gesprächsnotiz geht hervor, daß es ein Einvernehmen zwischen Paris und Brüssel gibt, die Frage der Zuständigkeit der Kommission nicht weiter zu vertiefen. In der Notiz heißt es sogar, daß sich der Präsident der Europäischen Kommission, Jacques Santer, nicht festgelegt habe, ob sich der Artikel 34 des Euratomvertrages auf die Atomversuche im Südpazifik anwenden lasse.

Das entspricht nicht ganz der Wahrheit, was darauf hindeutet, daß aus der zweiten Reihe an der Kommissionsspitze vorbei gemauschelt wird. Kommissionspräsident Santer wie auch die zuständige Umweltkommissarin Ritt Bjerregaard haben Paris mehrfach aufgefordert, mit weiteren Tests zu warten, bis die Kommission die Möglichkeit gehabt habe, die Risiken einzuschätzen. Nach Artikel 34 des Euratomvertrages müssen Atomversuche bei der Kommission in Brüssel angemeldet werden, „besonders gefährliche“ Versuche bedürfen der Genehmigung.

Die drei EU-Inspektoren sollten auf Moruroa herausfinden, ob die Tests besonders gefährlich sind. Zu sehen bekamen sie aber bisher nur zivile Einrichtungen. Sie werden weiterhin auf Tahiti, in 1.200 Kilometer Entfernung von den Testinseln, warten, ob sie nicht doch noch Zugang zu Moruroa oder Fangataufa bekommen. Immerhin hatte der französische Außenminister schriftlich zugesichert, daß sie auch die Kontrollanlagen auf Fangataufa inspizieren könnten. Auf dem 40 Kilometer entfernt von Moruroa liegenden Atoll, vermutet Greenpeace, soll der nächste Test stattfinden.

Die französische Regierung besteht nach wie vor auf der Einschätzung, daß der Euratomvertrag der Kommission allenfalls erlaube, die Einrichtungen zur Überwachung der Umgebungsradioaktivität zu kontrollieren. Ein Recht, die militärischen Anlagen zu untersuchen, lasse sich aus dem Vertrag nicht ableiten. Das französische Verteidigungsministerium hat angekündigt, noch in dieser Woche die zweite Bombe zu zünden. Alois Berger

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen