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Ohne Ausbildung, Arbeit, Zukunft

■ Neue Behördenschikanen gegen jugendliche Flüchtlinge

„Für eine bessere Politik: Ausbildung, Arbeit, Zukunft“, heißt die Parole unter einem Wahlplaket, auf dem SPD-Spitzenkandidatin Ingrid Stahmer mit blonden deutschen Jugendlichen plauscht. Für Miguel und Paulo, junge schwarze Bürgerkriegsflüchtlinge aus Angola, heißt die Realität seit neuestem jedoch: ohne Ausbildung, ohne Arbeit, ohne Zukunft.

Beide haben ein ungesicherten Aufenthaltsstatus und fallen deshalb unter ein jüngst vom Landesarbeitsamt erlassenes Ausbildungsverbot, berichteten sie gestern beim Flüchtlingsrat. Durch dieses Verbot und durch andere neue Anordnungen aus dem Hause der Jugendsenatorin Stahmer hat sich die Lage jugendlicher Flüchtlinge dramatisch verschärft.

Im Juni, berichtete Barbara Rost vom Flüchtlingsrat, habe die Bundesanstalt für Arbeit die Nichtförderung jugendlicher BosnierInnen verfügt. Das Landesarbeitsamt Berlin aber habe den Erlaß Anfang September zu einem „De-facto-Ausbildungsverbot“ für alle Jugendliche mit begrenztem Aufenthaltsstatus umfunktioniert. Begründung: Diese Personengruppe bleibe ja nicht auf Dauer. „Damit läßt man 16jährige in Hoffnungslosigkeit versinken“, wetterte Rita Kantemir vom Flüchtlingsrat. Die Ausländerbeauftragte Barbara John kritisierte, wenn man Jugendlichen Ausbildung und Arbeit verweigere, lasse man eine „verlorene Generation“ heranwachsen. Heute um 14 Uhr will der Flüchtlingsrat deshalb vor dem Landesarbeitsamt in der Charlottenstraße 90 protestieren.

Zwei weitere unter Verantwortung der Jugendsenatorin Ingrid Stahmer erlassene Anordnungen rufen ebenfalls Proteste hervor. Wie Claudia Schippel vom Deutschen Roten Kreuz berichtete, sollen die MitarbeiterInnen des DRK, des Diakonischen Werkes und der Arbeiterwohlfahrt nicht mehr als Vormünder von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen arbeiten dürfen. Statt dessen übernehmen die Jugendämter sukzessive diese Funktion. Offizielle Begründung: Das sei billiger. Die DRK-Mitarbeiterin konnte das jedoch nicht sehen, wenn „massiv überforderte und unvorbereitete Behördenmitarbeiter“ diese arbeitsintensive Aufgabe übernehmen. Sie hegte den Verdacht, daß die Amtsvormundschaften „als langer Arm der Ausländerbehörde“ dienen sollen.

Auf Kritik stieß auch die Art der Altersfeststellung, die MitarbeiterInnen der „Clearingstelle“ der Jugendverwaltung an jungen Flüchtlingen vornehmen ließen. Zwar werden Röntgenuntersuchungen von Handwurzeln und Kiefern nicht mehr durchgeführt, seit der Deutsche Ärztetag diese Maßnahmen verurteilte (die taz berichtete). Statt dessen aber, so die DRK-Sozialarbeiterin Sabine Rotte, führten MitarbeiterInnen der Jugendverwaltung solche Altersfeststellungen nun „allein“ und „per Augenschein“ durch. Von der Senatsverwaltung war dazu keine Stellungnahme zu bekommen. Ute Scheub

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