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Abwarten!

■ betr.: „Den Grünen wird es schwarz vor Augen“ etc., taz vom 19. 9. 95

Ich verstehe nicht, was hier passiert. Wieso äußern sich Jürgen Trittin und Krista Sager fast genauso hämisch, wie es die Vertreter der Regierungsparteien tun? Könnte es nicht so sein, daß in der SPD nun das passiert, was in der CDU wegen der Übermacht Kohls nicht möglich ist – sich zu erneuern?! Schließlich sind es noch ganze drei Jahre bis zur nächsten Bundestagswahl. Bis dahin können sich längst gute Leute aus der zweiten Reihe als bessere Nachfolger für die nun ausscheidenden erweisen.

Wer ist denn da als erster zurückgetreten? Gerhard Schröder, ein wirtschaftlicher Betonkopf, der in seinem Land oft genug die Grünen hat auflaufen lassen, selbst zu Zeiten der Mitregierung. Wäre der denn wirklich so wünschenswert als Mitstreiter einer zukünftigen Reformregierung?! Also bitte! Wir sollten froh sein, daß er sich zurückgezogen hat.

Ralf Fücks scheint mir auch einen politischen Tunnelblick zu haben. Es mag sein, daß eine Koalition mit einer Süssmuth-Geißler- Pflüger-CDU im Extremfall möglich ist. Als Nachfolger von „Birne“ stehen im Moment nun einmal nicht diese, sondern Wolfgang Schäuble an, mit dem selbst die FDP nicht koalieren könnte, würde sie ihrem Namen als die „Liberalen“ endlich mal alle Ehre machen.

Ergo, abwarten! Bündnis 90/ Grüne sollten weiterhin das eigene Profil als einzige Kraft, die Reformen wirklich voranbringen kann, noch mehr betonen, sich klar von der derzeitigen CDU/CSU und der FDP distanzieren und frühestens 1997 wieder die Koalitionsfrage stellen. Bernhard Mollenhauer,

Greifswald

Angesichts der Äußerungen des Bremer Abgeordneten Ralf Fücks in der taz kann einem in der Tat nur noch schwarz vor Augen werden. Wenn er ernsthaft ein schwarz-grünes Bündnis auf Bundesebene in Erwägung zieht, muß seine Wahrnehmung der Realtität als gestört bezeichnet werden. Einer Realität, die das Ergebnis von zwölf Jahren CDU-Politik ist und in einem Rechtsruck der Gesellschaft ihren Ausdruck findet.

Werfen wir doch einen flüchtigen Blick auf die CDU-Minister im Bundeskabinett: Innenminister Kanther profiliert sich erfolgreich als Abschiebeminister, Verteidigungsminister Rühe handelt nach dem Motto, am deutschen Wesen soll die Welt genesen, notfalls auch mit Waffengewalt, Ministerin Nolte holt zum Roll-back in der Frauenpolitik aus, und Sozialminister Blüm zementiert mit seinen Sparplänen die Zweidrittelgesellschaft.

Ignoriert der Menschenrechtler Fücks, daß die Außenpolitik – wie am Beispiel Chinas deutlich wird – von Wirtschaftsinteressen dominiert wird? Wie steht denn der Ex- Umweltsenator Fücks zu einer CDU-Politik, die der Umwelt den Rest gibt – und mit der er oft genug konfroniert gewesen sein müßte?

Statt jedoch diese Politik beim Namen zu nennen, träumt der grüne „Realpolitiker“ Fücks von einem Bündnis mit den sogenannten Querdenkern der CDU. Dabei übersieht er anscheinend, daß diese „fortschrittlichen“ PolitikerInnen, die bedeutende Positionen in der CDU innehaben, die Regierungspolitik loyal mittragen und wesentlich mitbestimmen.

Wenn ich der momentanen Krise der SPD noch etwas Positives abgewinnen kann, dann das „Outing“ des CDU-Sympathisanten Fücks. Angesichts seiner Äußerungen kann ich ihn nur dazu einladen, seine politischen Vorstellungen zukünftig in der CDU zu verwirklichen. Jörg Bütefür, Grünes

Mitglied aus Essen

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