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Aus Rot-Grün gelernt?Gescheitert war die Koalition längst vor dem Bruch

■ taz-Serie zu den Erfahrungen mit Rot-Grün / Hans-Christian Ströbele über die Leerstellen im Koalitionsvertrag

Der Rechtsanwalt Hans-Christian Ströbele ist Mitglied des Landesvorstands von Bündnis 90/ Die Grünen. Er hat 1989 maßgeblich die rot-grünen Koalitionsverhandlungen geführt.

In die rot-grüne Koalition hatte nicht nur ich 1989 große Hoffnungen gesetzt. Im Herbst 1990 wurde diese Koalition aufgekündigt. Aktueller Anlaß war die Räumung der besetzten Häuser in der Mainzer Straße ohne vorherige Information des Koalitionspartners. Das Bündnis war aber lange vorher ins Trudeln geraten. Das Gezerre um eine Stromtrasse durch Spandau und eine Autobahnzufahrt in Tempelhof hatte Nerven gekostet. Der lange Streik der Kita-MitarbeiterInnen und der Ausverkauf des Geländes am Potsdamer Platz zum Schleuderpreis an Daimler Benz wurden die Bruchstellen, die kaum noch zu kitten waren.

Schlimmer aber waren die atmosphärischen Gründe dafür: Der Trick der SPD, Streitfragen der Koalition im Senat mit Mehrheit zu entscheiden. Die immer neuen Verzögerungen durch die SPD beim Umsetzen der fest vereinbarten Einführung des kommunalen Wahlrechts für Eingewanderte. Das Abdriften von Momper in die einsamen Höhen der öffentlichen Selbstinszenierungen. Immer mehr wurde aus den Augen verloren, wofür Rot- Grün stehen sollte: Die spürbare Verbesserung der Lebensqualität für die Bevölkerung der Stadt.

Der Mauerfall brachte neue Probleme. Darauf war die Koalition nicht vorbereitet. Versuche, umfassende Konzepte zu entwickeln, blieben stecken. Angeblich fehlte die Zeit. Aber es war wohl der fehlende Wille.

Der Regierende betrieb seine eigene Politik. Er informierte nicht mal mehr seine Genossen, geschweige denn den Koalitionspartner. Er sah sich als Bürgermeister der Einheit, der über den Parteien stand. Kommunikation fand nicht mehr statt. Noch während der Polizeieinsätze zur Räumung der besetzten Häuser gab es zahlreiche Versuche der grün-alternativen Koalitionäre, den Regierenden oder den Innensenator zu sprechen. Vergeblich. Eine Verständigung war nicht mehr gewollt. Gespräche kamen nicht zustande.

Rot-Grün ist aber nicht nur an dem Polizeieinsatz gescheitert. Auch nicht nur an der SPD oder König Momper. Wir Grünen/AL hatten Schwierigkeiten mit dem Widerspruch zwischen eigenen Programmgrundsätzen und dem Eintreten für die Interessen der Betroffenen einerseits und den Zwängen einer Regierungskoalition andererseits. Mitgliederversammlungen beschlossen die Quadratur des Kreises, einerseits: keine Stromtrasse, keine Autobahnzufahrt, kein Verkauf an Daimler, andererseits: die Koalition darf nicht gefährdet werden.

Aus diesem Dilemma versuchte die Partei dadurch zu entkommen, daß sich die grünen SenatorInnen im Senat von denen der SPD überstimmen ließen. Eine Verfahrensweise, die von den Grünen vorher heftig kritisiert worden war.

Eine verbindliche Regelung für die Lösung neu auftauchender Probleme fehlte. Also wurde nach vergeblichem Bemühen im Koalitionsausschuß auch darüber im Senat entschieden, mit der von vorneherein feststehenden Dreiviertelmehrheitmehrheit der SPD-SenatorInnen. Daß ein Polizeieinsatz das Ende der Koalition brachte, war symptomatisch. Zur inneren Sicherheit stand wenig im Koalitionsvertrag. Für die Alternative Liste für Demokratie und Umweltschutz war die Forderung nach Abbau des staatlichen Repressionsapparates geradezu identitätsstiftend. Aber die SPD hatte Verlangen nach Verringerung der Polizeistärke oder Abschaffung des Geheimdienstes in den Verhandlungen mit dem Hinweis auf alliierte Vorbehalte abgelehnt.

Auch für den Umgang mit Hausbesetzungen gab es trotz einer so unterschiedlichen einschlägigen Vergangenheit zunächst keine Koalitionsvereinbarung. Gerade dieser Politikbereich aber war für beide Parteien in der Vergangenheit von existentieller Bedeutung. Anfang der achtziger Jahre war die SPD mit hilflosem Polizeiaktionismus gegen Hausbesetzer gescheitert und abgewählt worden, weil sie auf Bauspekulation, Wohnungsleerstand und Hausbesetzung keine Antwort gefunden hatte. Dieses Trauma saß tief.

Das Thema Hausbesetzungen schien während den Verhandlungen zunächst nicht aktuell, eine Lösung entbehrlich. Nach ersten Hausbesetzungen gab der SPD- Innensenator einseitig die Regelung vor, keine Duldung von Neubesetzungen. Die Grünen durften sie nur abnicken. Nach den Besetzungen der zahlreichen leerstehenden Häuser im Ostteil führte die Regelung zu den polizeilichen Großeinsätzen, ohne Rücksicht auf die empörenden, illegitimen Leerstände – wie gehabt. Die Parteien wurden von ihrer Vergangenheit eingeholt. Die Koalition war am Ende.

Die Voraussetzungen für ein Gelingen von Grün-Rot in Berlin 1995 sind besser: Beide Parteien haben leidvoll gelernt, daß beide verlieren, wenn der Senat scheitert. Die SPD hat sich diesmal nicht vor der Wahl gegen eine solche Koalition festgelegt, und viele in der Partei drängen auf Rot- Grün. Bündnisgrüne Wahlinhalte finden auch bei Teilen der SPD wesentlich mehr Unterstützung als 1989. Die Bündnisgrünen sind ein wesentlich stärkerer Partner, besser vorbereitet, nicht nur, was ihre Entscheidungsstrukturen angeht, auch mit ausgereifteren Konzepten für die Stadtentwicklung. Und die Erwartungen an eine grün-rote Koalition sind vielleicht auch realistischer. Hans-Christian Ströbele

morgen: Peter Strieder (SPD)

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