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■ UmzugsdebatteFalsch gezielt

Weil der Wahlkampf an streitbaren Themen eher einem Wahlkrampf gleicht, suchen die Akteure auf der Zielgeraden verständlicherweise nach neuer Munition. Dabei geht der Griff aber mehr in die Motten- statt in die Pulverkiste. Die Aufgeregtheit, mit der SPD-Fraktionschef Klaus Böger sich dem Umzugsplan von Bonn nach Berlin widmet und „endlich präzise Termine“ von Bundesbauminister Töpfer hören möchte, erinnert an die altbekannten Kanonenböller, mit denen nach Spatzen geschossen wird. Nichts anderes bedeutet auch der eilige Brief von Eberhard Diepgen an Kanzler Kohl, in dem reaktionsschnell wahlkampfgejammert wird, daß noch „in keinem Fall ein baureifes Projekt“ für den Wohnungsbau der Regierungsbeamten vorliege. Dahinter steckt, daß Diepgen damit nur die Kritik der Sozialdemokraten an seiner Person weiterreichen will, er habe in Bonn zu wenig für Berlin erreicht.

So lockt das Thema Bundeswohnungen keinen Hund hinter dem Ofen hervor. Die Standorte stehen fest. In den kommenden Monaten beginnen die Investorenauswahlverfahren. Der Wettbewerb für das Moabiter Werder wird am 14. Oktober entschieden. Um Leerstand zu vermeiden, rücken die Bagger naturgemäß nicht vor 1996 oder 1997 an. Viel wichtiger wäre es, den Bund an den Umgang mit den Wohnungsbeständen und den Mietern zu erinnern. In der Aufregung aber haben Diepgen und besonders Böger eines verschlafen – daß nämlich der Bund den Wohnungsbau zu einem Großteil von privaten Investoren durchführen läßt und damit Grund und Boden und die politische sowie soziale Kontrolle über die Objekte „verkauft“. Das wäre ein Wahlkampfthema wert. So geht der Schuß am Ziel jedoch vorbei. Rolf Lautenschläger

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