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Auch der Bundesrat nimmt Kurs auf Berlin

■ Bayern will in absehbarer Zeit Entscheidung über Verbleib des Bundesrats / Senat skeptisch gegenüber Kohl-Vorschlag

In die Debatte um den Umzug des Bundesrats ist offenbar Bewegung gekommen, nachdem sich Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) vor wenigen Tagen für Berlin als künftigen Sitz der Länderkammer ausgesprochen hat.

Die Chancen für eine Revision des 1991 gefaßten Beschlusses für Bonn könnten zudem durch den anstehenden Wechsel an der Spitze der Länderkammer steigen: Mit dem bayrischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) übernimmt ab dem 1. November ein Berlin-Befürworter die Präsidentschaft. Bayern habe zwar noch keine „konkreten Vorschläge“, halte aber „im Interesse des Bundesrats und seiner Beschäftigten eine Entscheidung in absehbarer Zeit für wünschenswert“, erklärte gestern der Sprecher der Staatskanzlei in München, Ronald Leitner, gegenüber der taz.

Der Freistaat hatte im Juli 1991 im Bundesrat gegen Bonn votiert. Die Entscheidung fiel allerdings mit 38 von 68 Stimmen knapp aus. Für eine Revision hält der Beschluß eine Hintertür offen: Zu einem späteren Zeitpunkt werde der Bundesrat seine Entscheidung für Bonn „im Lichte der noch zu gewinnenden Erfahrungen“ überprüfen. Noch wagt keines der 16 Länder, einen neuen Antrag einzubringen. Kohls Vorschlag, Berlin solle sich selbst darum bemühen und bei den Ländern werben, stößt in der Senatskanzlei auf Verwunderung. Dies sei, so heißt es dort, der „falsche Weg“, weil damit das in vielen westdeutschen Ländern vorhandene Mißtrauen gegen Berlin verstärkt werde.

Innerhalb der SPD-Länder, die die Mehrheit im Bundesrat bilden, ist keine einheitliche Linie erkennbar. Für einen Verbleib am Rhein sind unter anderem Nordrhein- Westfalen, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Schleswig-Holstein hält sich eine Änderung offen, Hessen ist wie Niedersachsen für Berlin. Doch auch die SPD-Landesregierung in Hannover hält sich zurück. Obwohl die Verlagerung sinnvoll sei, versichert die Sprecherin der Landesregierung, Sabine Haack, habe man „keine Absicht, in nächster Zeit mit einer Initiative im Bundesrat tätig zu werden“.

Auch Nordrhein-Westfalen, dessen Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) bis Ende Oktober den Vorsitz im Bundesrat innehält, richtet sich hinter den Kulissen offenbar auf einen Umzug ein.

Nach einem Bericht des Tagesspiegel von heute denkt das Land über einen Verkauf seiner Bonner Vertretung nach, dessen Gebäude erst im April nach rund 20 Millionen Mark Umbau- und Renovierungskosten bezogen worden war. Nach außen wird dagegen die Diskussion heruntergespielt. So will der Sprecher der nordrhein-westfälischen Landesregierung, Wolfgang Lieb, „keine neue Entwicklung“ sehen, „in dessen Lichte nun eine Überprüfung notwendig wäre“. Wie auch immer: Platz für einen Neubau wäre in Berlin vorhanden. Für den Bundesrat wird gegenüber dem Reichstag eine rund 25.000 Quadratmeter große Fläche freigehalten. Severin Weiland

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