: Um 15 Uhr ab in den Hobbykeller
■ Wie zwei altgediente Facharbeiter bei Borsig die Arbeitszeitverkürzung erlebten. Der freie Sonnabend ist heute heilig
Peter Winkler (47) ist gelernter Maschinenschlosser und seit 31 Jahren bei Babcock-Borsig in Berlin beschäftigt. Sein Kollege Rolf Hahn (57), gelernter Former, arbeitet seit 38 Jahren im gleichen Betrieb. Als die beiden anfingen, galt noch die 42-Stunden-Woche. Heute arbeiten sie sieben Stunden weniger. Ein besseres Leben?
taz: Herr Winkler, Herr Hahn, wann sind Sie in Ihren ersten Jahren bei Borsig von der Arbeit nach Hause gekommen?
Peter Winkler: Um 16.10 Uhr war damals Schluß. Dann kam noch die Heimfahrt dazu.
Rolf Hahn: Damals gab es noch keine U-Bahn bis zum Werk. Ich brauchte mit der Straßenbahn und dem Bus zwei Stunden nach Hause.
Vor 18 Uhr waren Sie also nicht zu Hause. Und heute?
Winkler: Heute ist um 14.15 Uhr Schluß. Um drei Uhr bin ich dann zu Hause.
Was machen Sie mit Ihrer freien Zeit am Nachmittag?
Winkler: Ich habe mir eine kleine Hobby-Werkstatt zu Hause eingerichtet. Da entwerfe und baue ich Flugzeug- und Schiffsmodelle.
Und die Familie?
Winkler: Der kurze Freitag ist den Ehefrauen sehr wichtig. Da ist bei uns um zwölf Uhr Schluß. Dann schickt mich meine Frau mit dem Einkaufszettel los.
Und wie war das früher am Sonnabend mit der Arbeit?
Winkler: Die Arbeit am Sonnabend war damals die Norm. Wenn man mal ein ganzes Wochenende frei hatte, dann war das schon erstaunlich.
Hahn: Am Sonnabend hatten wir Gießtag, das heißt, man mußte immer da sein. Manchmal war ich da erst um fünf Uhr zu Hause. Damals war man so kaputt, da war es schon eine Überwindung, noch was nebenbei zu machen.
Und heute?
Hahn:Für mich ist der Sonnabend heute heilig. Mein Hobby, das ist mein Grundstück, der Kleingarten. Am Sonntag kann man nicht mähen. Also muß ich am Sonnabend den Garten in Ordnung bringen. Das hat erste Priorität.
Haben Sie damals, 1984, auch selbst für die 35-Stunden-Woche demonstriert?
Hahn: Wir haben am Infostand in Tegel mit den Leuten geredet. Was wurden wir damals beschimpft, vor allem von den Rentnern. Die haben gesagt: wir haben noch 70 Stunden die Woche geackert!
Es heißt ja immer, heute würden so viele Überstunden gefahren, daß die Arbeitszeitverkürzung dadurch kaum spürbar wäre.
Winkler: Wir hatten früher in Zeiten mit Termindruck zehn Überstunden die Woche. Das ist heute noch genauso. Aber wenn man mal davon ausgeht, daß die Arbeitszeit früher tatsächlich 52 Stunden betrug, dann sind das heute trotzdem sieben Stunden weniger.
Hat die Verkürzung denn Arbeitsplätze gebracht in Ihrem Betrieb ?
Winkler: Bei uns werden seit drei Jahren die Überstunden nicht mehr bezahlt, sondern in Freizeit abgegolten. Das hat offengelegt, wo eigentlich Stellen fehlen. Das hat uns sehr geholfen, junge Kollegen nach der Ausbildung weiter hier zu beschäftigen. Interview: Barbara Dribbusch
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