■ Scheibengericht: Amon Düül 2
Nada Moonshine (Schneeball/ Indigo 30562)
Ende der 70er Jahre war es vorbei. Zerrieben von internen Konflikten, aufgefressen von den Parasiten des Musikgeschäfts hatte sich Amon Düül 2, die Pionierformation des Krautrock, im Chaos aufgelöst. Zehn Jahre zuvor hatte die Gruppe zusammen mit Can und Kraftwerk deutsche Rockmusik als eigenständigen Stil etabliert – was allerdings zum Teil auf einem Mißverständnis beruhte: Das Ausland sah im Müchner Musikkollektiv immer die teutonischste aller Deutschrockgruppen, obwohl die Band genau das Gegenteil sein wollte. Sie rührte die entlegensten Einflüsse und Traditionen – von indischen Sitarklängen bis zu West- Coast-Sounds – zusammen, um so international wie möglich zu klingen. „Düülesk“ wurde zu einer Kategorie für Rockmusik der bizarren Sorte.
Vier Stammitglieder der legendären Formation haben jetzt einen Wiederbelebungsversuch unternommen und nach 16 Jahren Abstinenz ein neues Album eingespielt. Anstatt in Nostalgie zu verfallen und einfach die alten Krautrock-Rezepte noch einmal aufzuwärmen, haben sie den ambitionierten Versuch unternommen, sich mit dem Erfahrungsschatz von damals ins aktuelle musikalische Geschehen einzuklinken.
Dabei zeigt sich, daß die stilprägenden Musiker der Gruppe nie den Anschluß verloren hatten. Chris Karrer hat sich zu einer Autorität in Sachen Weltmusik entwickelt, ein Musiker, der den komplexen Rocksounds mit Oud (Kurzhalslaute) und arabischer Violine eine orientalische Färbung verleiht, während Bassist Lothar Meid am Sampler raffinierte Geräuscheinblendungen beisteuert. Die Texte erinnern bisweilen an Fantasy-Comics, wo es von Drachen, Erzengeln und Pferden mit Feuerschweif wimmelt. Füllnummern finden sich keine auf dem neuen Album, es hinterläßt einen durchgehend starken Eindruck, enthält sogar einige Stücke mit Ohrwurmqualität, die dennoch nicht in Einfalt versinken. Die herbe Brüchigkeit der Stimme von Renate Knaup dunkelt gefällige Stellen ein. Mit ihrem rollenden Rrrrrr klingt sie wie die deutsche Schwester von Marianne Faithfull.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen