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Hirschebrüllen lockt die Männer an

■ Im Harz lassen die 10- bis 14-Ender jetzt die Geweihe krachen

Die vier Männer sind von weither in den Harz angereist, um es in dieser kalten Herbstnacht zu erleben – das Hirschebrüllen. „Eigentlich heißt es ja Hirscheröhren, aber im Harz sagen die Leute Brüllen dazu“, weiß Ulrich Hebecker zu berichten. „Das ist so, als wenn ein Löwe brüllt. Da rutscht so manchem das Herz in die Hose“, sagt der 56jährige Wirt aus Tanne.

Die kleine Gemeinde im Landkreis Wernigerode hat nur wenig zu bieten. Rund 700 EinwohnerInnen leben hier. Doch jedes Jahr im September und Oktober lockt das besondere Ereignis viele Gäste in das Bergdorf: das eindrucksvolle Liebesleben des Rotwildes.

Auf dem Hochsitz an der Waldlichtung ist mittlerweile Ruhe eingekehrt. Man lauscht in die Stille des Waldes. Und da ist es dann – von weitem tönt ein dumpfes, langgezogenes Röhren über die Baumwipfel. „Das ist mindestens ein Zehn-Ender“, raunt der Führer .

Rotwildhirsche, erzählt Hebecker seinen Gästen, sind eigentlich Alleingänger, doch zur Brunftzeit im September/Oktober scharen sie einen Harem um sich oder versuchen, anderen Hirschen ihren Harem abzujagen. Das nächtliche Röhren ist Machtdemonstration. „Je tiefer der Hirsch brüllt, um so stärker und älter ist er.“ Die Tiere würden sich in einen wahren Liebestaumel steigern. Von den Menschen nehmen sie dann kaum noch Witterung auf.

Inzwischen hat unweit des Hochsitzes ein großer Platzhirsch mit seinen Schmaltieren, den Rehen seines Harems, die Waldlichtung betreten. Es ist ein 14-Ender, erkennt der Führer mit dem Nachglas. Hinzu kommt ein junger Hirsch, ein Zehn-Ender. „Der will dem Alten seine Weiber streitig machen.“ Beide Hirsche lassen ihr Röhren ertönen, das den Beobachtern durch Mark und Bein geht. Dann gehen die Hirsche aufeinander los. Mit ihren Geweihen krachen sie ineinander, immer und immer wieder. Schließlich schlägt der Platzhirsch seinen Widersacher in die Flucht und zieht mit seinem Harem ab. Jürgen Korsch (dpa)

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