: Furchtbare Ungerechtigkeit
■ betr.: „Es gibt zwei Leben vor dem Tod“ etc. (Volkmann/Grubbe), taz vom 29. 9. 95
[...] Gut, daß Ihr den Artikel gebracht habt und gut, daß Philipp Maußhardt ihn doch nicht in der Schublade liegen ließ.
Natürlich ist alles viel schwieriger, wenn uns nicht einfach ein „Böser“, der immer böse geblieben ist, gegenübertritt, sondern jemand, der vielleicht durch sein Leben nach dem Krieg etas wiedergutmachen wollte. Und jetzt sowieso ein freundlicher älterer Herr ist. Aber es bleibt die ganze Monströsität der vorgeworfenen Verbrechen, und man kann es gar nicht fassen.
Wenn man überhaupt an so etwas wie Resozialisierung glaubt, muß man wohl sagen, daß Grubbe ein gelungenes Beispiel dafür wäre. Er hat sich als nützliches Mitglied in die Gesellschaft eingegliedert, wie man so schön sagt. Trotzdem bleibt ein Gefühl davon, daß es nicht nur darum geht. [...] Vor allem ist der Umstand unerträglich, daß überall in Europa die wenigen überlebenden Juden im Alter in Not und Elend leben – aus dem Baltikum und aus Griechenland konnten wir es gerade wieder lesen – weil es keine „Entschädigungs“regelungen oder nur mangelnde zwischen den beteiligten Staaten und Deutschland gibt, und Herr Grubbe lebt im Wohlstand. Es kommt gar nicht darauf an, ob er diesen Wohlstand direkt auf erpreßten oder gestohlenen Wertgegenständen aufgebaut hat oder ob er nach dem Krieg ohne einen Pfennig dastand. In jedem Fall hat er Kraft und Energie gehabt, um sich ein neues gutes Leben aufzubauen – genau das, was er anderen Menschen geraubt hat, wenn der Artikel stimmt.
Diese furchtbare Ungerechtigkeit wirkt weit über den Tod der Ermordeten hinaus und trifft erst recht die, die überleben konnten und heute nicht – nie wieder – auf der Sonnenseite des Lebens angekommen sind. [...] Carola von Paczensky, Hamburg
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