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Die UNO rügt Kroatien scharf

■ Menschenrechtshochkommissar kritisiert andauernde Greueltaten gegen serbische Zivilisten in der Krajina

Genf (taz) – Lange, allzulange hat die UNO gezögert – doch jetzt endlich äußert die Weltorganisation ihre Kritik an schweren Menschenrechtsverstößen kroatischer Regierungssoldaten gegen serbische Zivilisten in der Krajina. In einem Brief an Kroatiens Präsident Franjo Tudjman erhob der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, José Ayala Lasso, den Vorwurf, die Verstöße gingen auch zwei Monate nach der Militäroperation, mit der fast alle Serben aus der Krajina vertrieben wurden, weiter. Häuser, die den Vertriebenen gehören, würden „geplündert und niedergebrannt“, heißt es in dem Schreiben des Hochkommissars. Nach Angaben eines Sprechers im Unprofor-Hauptquartier in Zagreb sind bereits „über die Hälfte“ der einst von Serben bewohnten Häuser betroffen. Im Zusammenhang mit diesen Vorfällen seien die Leichen einer „Anzahl“ von Personen gefunden worden, heißt es in dem Brief.

Untersuchungen von UNO-Beobachtern hätten ergeben, daß diese Menschen erst „lange nach der Militäroperation“ der kroatischen Armee von Anfang August getötet wurden, und zwar „durch Schüsse in den Kopf oder die Brust“. In einigen Fällen stellten die UNO-Beobachter „deutliche Folterspuren“ fest. Laut Lasso waren „die meisten Opfer ältere oder behinderte Zivilisten“, von denen „mindestens drei in ihrem Haus verbrannt worden“ seien. Dem Hauptquartier der Unprofor liegen Berichte über „120 bis 150 Opfer wahlloser Hinrichtungen“ vor.

Laut einer Mitteilung des regierungsunabhängigen kroatischen Helsinki-Komitees für Menschenrechte vom Dienstag werden in der Krajina „täglich bis zu sechs Menschen ermordet und ihre Leichen anschließend mit Helikoptern und Fahrzeugen der kroatischen Armee und Poizei zu vorbestimmten Grabstätten gebracht“. Es ist wesentlich dem Helsinki-Komitee zu verdanken, daß jetzt überhaupt detaillierte Informationen über Menschenrechtsverstöße der Kroaten an die Öffentlichkeit kommen. Das Komitee hatte seit Mitte letzter Woche zwei vertrauliche Untersuchungsberichte von Beobachtern der EU und der UNO an die Medien lanciert. Mit Rücksicht auf die derzeitigen Vermittlungsbemühungen von US-Unterhändler Richard Holbrooke und der Bosnien- Kontaktgruppe hatten diese Berichte vorläufig geheim bleiben sollen.

Die neue Sonderberichterstatterin der UNO-Menschenrechtskommission für Ex-Jugoslawien, Elisabeth Rehn, erklärte gestern in Genf ihre Absicht, wie ihr Ende Juli zurückgetretener Vorgänger Tadeusz Mazowiecki ohne Rücksicht auf politisch- diplomatische Erwägungen Menschenrechtsverstöße aller Parteien zu untersuchen.

Hochkommissar Lasso äußerte in seinem Brief an Tudjman „tiefe Beunruhigung“ über den „diskriminierenden Charakter“ der jüngsten kroatischen Gesetzgebung, wonach der Staat „de facto die Kontrolle über den gesamten Besitz der geflohenen Serben erhält“. Auch die in der kroatischen Verfassung enthaltenen Entschädigungbestimmungen würden von der Zagreber Regierung mißachtet. Die „willkürliche Beschlagnahme von Besitz“ verstoße gegen Artikel 17 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, rügte der Hochkommissar. Lasso forderte die Regierung Tudjman auf, ihre Zusicherung wahr zu machen und die „umgehende Rückkehr aller Vertriebenen in Sicherheit und Würde unabhängig von ihrer nationalen oder ethnischen Zugehörigkeit“ zu ermöglichen. Dies habe „höchste Priorität“.

Nach Schätzung des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) sind von den ursprünglich über 150.000 Serben in der Krajina nach der Militäroperation der kroatischen Armee „bestenfalls noch 3.000 bis 5.000 zurückgeblieben“. Andreas Zumach

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