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Damals im „gerechten Krieg“

■ Neu im Kino: Ken Loachs „Land and Freedom“ feiert zwischen Dokumentarfilm und Lehrstück die Helden des spanischen Bürgerkriegs.

In seinem Heimatland hatte Ken Loach es schwer mit seinen Filmen, besonders in der Ära Margaret Thatchers. Loach, der Arbeitersohn mit dem Mitgliedsausweis der KP, macht Filme, die all denen ins Konzept passen, die fordern, daß die Filmkunst einer „Sache“ zu dienen habe, nämlich der Sache der Arbeiterklasse. Doch der Mann hat Talent genug, daß seine Filme nicht zu eindimensionaler Propaganda geraten oder in weinerliche Sozialkritik ausarten. So war es etwa in „Family Life“ (1972), „Riff-Raff“ (1991), „Raining Stones“ (1993) oder „Ladybird, Ladybird“. Ken Loach macht die „kleinen Leute“ zum Mittelpunkt seiner Filme. Seine locations: enge, desolate Arbeiterhäuschen, Baustellen, Sozialämter, Pubs. Keine Kamerabewegung zuviel, keine Verklärung der „Arbeiterklasse“, authentische Dialoge, wie ohne Umwege auf der Straße eingefangen. Loach nimmt seine Filme und führt sie in Gewerkschaftshäusern und Stadtteil-Kulturzentren vor. Weil er es will, und weil er es muß. Mit solchen Filmen ist – trotz europäischem Filmpreis – keine Kasse zu machen.

Jetzt hat sich Ken Loach nach rückwärts gewandt und mit „Land and Freedom“ eine Geschichte aus dem Spanischen Bürgerkrieg erzählt. „Der einzige Grund, ein historisches Stück zu machen, besteht darin, etwas über die Gegenwart auszusagen“, begründet er sein Vorhaben.

Der arbeitslose David (Ian Hart) aus Liverpool verläßt England, um sich 1936 einer Gruppe der revolutionären Miliz POUM, einer marxistischen Arbeiterpartei anzuschließen. Ohne den Konflikt im Lande genau zu kennen, reicht ihm sein kommunistisches Parteibuch um sich dem Kampf gegen die Franco-Putschisten anzuschließen. Bei der bunt zusammengewürfelten Truppe fühlt David sich gut aufgenommen. Nur langweilig ist es ihm: Sein Frontabschnitt bewegt sich kaum, ab und zu schwirrt mal eine Kugel, meistens beschimpft man sich.

Dann wird David verwundet; die Waffen der Milizionäre sind veraltet, beim Exerzieren mit jugendlichen POUM-Sympathisanten explodiert eine Patrone vor seinem Gesicht. Zur Erholung schickt ihn Blanca (Rosana Pastor) in eine Pension nach Barcelona. Blanca erwartet ihn dort schon zur gleichsam vom Marxismus inspirierten Liebesnacht. Denn als David bekennt, er habe sich den kommunistisch organisiserten Internationalen Brigaden angeschlossen, kehrt Blanca ihm sofort den Rücken.

Ideologien sind alles, zeigt „Land and Freedom“, und der Kampf der Republikaner, Anarcho-Syndikalisten, Internationalen Brigaden und sonstiger Milizen gegen den gemeinsamen Feind, die Franco-Faschisten, ging nicht zuletzt wegen interner ideologischer Grabenkriege verloren.

Denen Ken Loach so viel Raum läßt, daß „Land and Freedom“ zwischen Dokumentarfilm und didaktischem Lehrstück schwankt. Und auch, daß der Spanische Bürgerkrieg als einer der wenigen „gerechten“ Kriege gilt, ist dem Film unschwer anzusehen. Bei Ken Loach sind die Guten und die Bösen gut zu trennen, was „Land and Freedom“ stellenweise den Charakter einer Auftragsarbeit für die spanischen Gewerkschaften verleiht.

Um den Gegenwartsbezug zu unterstreichen, macht sich Loach einen klassischen Kunstgriff zunutze. Die Enkelin eines gerade ins Krankenhaus eingelieferten ehemaligen Spanien-Kämpfers ordnet, einfach aus Neugier, dessen kargen Nachlaß: Briefe, ein rotes Halstuch, eine Handvoll spanische Erde. Sie beginnt zu lesen ...

Kurz bevor es rührselig wird, springt der Film immer wieder in die nüchterne Gegenwart des – womit wir wieder beim Thema sind – Arbeiterhaushalts in Liverpool 1995. Und Ken Loach wäre nicht Ken Loach, wenn die unpolitische Enkelin am Grabe ihres nun verstorbenen Großvaters nicht „dazugelernt“ hätte. Mit Tränen in den Augen und zum Kampfgruß geballter Faust steht sie da – von der unpolitischen Enkelin zur klassenbewußten Aktivistin gereift. Das können nur eingefleischte Ken Loach-Fans ohne Verstimmung ertragen. Gottseidank versöhnt „Land and Freedom“ durch überzeugend gezeichnete Porträts der aus halb Europa nach Spanien gekommenen, jungen Kämpfer. Aber nicht so ganz: Ken Loach, bitte kommen Sie zurück ins Liverpool 1995!

Alexander Musik

Ken Loach „Land and Freedom“ läuft nur in Bremen im „Cinema“, tägl. um 21 Uhr.

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