: „Bis zum Urteil bleibt nur beten“
Abschließende Aussagen im Solinger Mordprozeß: Drei von den vier Angeklagten beteuern ihre Unschuld und sind sich „sicher“ freigesprochen zu werden“. ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs
„Gott ist mein Zeuge, daß ich unschuldig bin, und ich bedauere, daß er nicht mein Richter sein kann.“ Auf Gott berief sich der 22jährige Christian B. Das tat er in seinem mehr als einstündigen Schlußwort gestern im Solinger Mordprozeß gleich mehrmals. Bis zum Urteil bleibe ihm „nur noch zu beten“, aber er sei sich schon heute „absolut sicher, daß wir drei freigesprochen werden“.
Zwar habe die Bundesanwaltschaft eine „infame Anklage“ konstruiert, doch dem Sechsten Senat des Düsseldorfer Oberlandesgerichtes traue er ein Fehlurteil nicht zu. Deshalb habe er trotz der „entsetzlichen Ungerechtigkeit“ seitens der Ermittlungsbehörden auch „den Glauben an die Gerechtigkeit noch nicht ganz verloren“.
Danach wandte sich der einstige Skinhead, der jetzt seine langen Haare mit einem Knoten streng nach hinten gebunden trägt, direkt an die Hinterbliebenen der fünf durch den Brandanschlag zu Tode gekommenen türkischen Mädchen und Frauen. Er könne Familie Genç „keinen Vorwurf machen“, daß sie von seiner Schuld überzeugt sei. Denn immerhin sei ihnen „das von Anfang an eingeredet worden“, aber, so fuhr der Sohn eines selbständigen Solinger Handwerkers in ruhiger Tonlage fort, „ich weiß nur, daß ich es nicht war“.
„Ich bin kein rassistischer Neonazi.“ Er bedauere sehr, „mit leichtsinnigen Sprüchen gegen Ausländer Fehler gemacht“ zu haben, aber es sei dennoch „infam“, ihm rassistisches Gedankengut „anzudichten“. Einen Anwalt der Familie Genç kritisierte er dafür, sich nicht für die Wahrheit zu interessieren, „sondern für ihn sind wir schon schuldig, weil wir Rechte waren“.
Ganz kurz faßten sich seine Mitangeklagten. „Mit der Tat habe ich nichts zu tun“, erklärte Felix K. (18), der aus einem linken Elternhaus stammende Arztsohn, um dann hinzuzufügen: „Meine rechten Sprüche waren Scheiße, aber deshalb bin ich doch kein Mörder.“
Markus Gartmann (25), zur Tatzeit der einzige Erwachsene der vier, der mehrmals die Tat gestanden und widerrufen hatte, blieb im Schlußwort bei seiner letzten Version: „Wir alle drei sind unschuldig.“ Er wisse, „das falsche Geständnis war eine Schweinerei“, und er bitte deshalb „um Entschuldigung“ — auch „gegenüber Familie Genç“.
„Das, was passiert ist, habe ich nicht gewollt, es tut mir leid. Ich weiß, daß es für meine Tat keine Entschuldigung gibt.“ Mit diesen Worten gestand der 18jährige Christian R. gestern noch einmal seine „Alleintäterschaft“. Allerdings, von ihm liegen mindestens 18 verschiedene Geständnisse vor, darunter auch die Aussage, gemeinsam mit den anderen dreien das Feuer gelegt zu haben. Am kommenden Freitag wird der Sechste Senat das Urteil sprechen.
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