: Bosnische Kriegsgegner starten Schlußoffensive
■ Alle Seiten bekräftigen jedoch ihren Willen, den Waffenstillstand zu respektieren. Wie Rußland in die Friedenstruppe einbezogen wird, bleibt unklar
Sarajevo/Rom (DPA/AFP) – Vier Tage vor Beginn des vereinbarten Waffenstillstandes haben die bosnischen Kriegsparteien gestern ihre Kämpfe verschärft. „In einem Schlußanlauf wollen beide Seiten ihre territorialen Anteile vergrößern und somit die Positionen ihrer Unterhändler bei den späteren Friedensgesprächen noch verbessern“, sagte ein Sprecher der UN-Führung in Sarajevo. Der bosnische Präsident Alija Izetbegović sagte, bis zum Beginn der Waffenruhe gebe es „keine Grenze“ für die Kämpfe.
Alle Kriegsgegner bekräftigten jedoch ihren Willen, den am Dienstag in Kraft tretenden Waffenstillstand zu respektieren. Das offizielle Sarajevo und die serbische Seite hatten noch am Donnerstag ihre Absicht bekräftigt, das unter US-Vermittlung zustandegekommene Waffenstillstandsabkommen „im vollen Umfang“ zu respektieren. Izetbegović bezeichnete das Dokument als das „bisher ernsthafteste seit Kriegsbeginn“. US-Präsident Clinton hält die Chancen für eine Konfliktlösung in Bosnien für größer als jemals zuvor. Noch nie seien die Kriegsgegner einer Einigung näher gewesen, sagte Clinton gestern.
In Sarajevo bemühten sich unterdessen UN-Experten und örtliche Dienste, die Wiederherstellung der Versorgung mit Strom, Wasser und Gas – als wichtigste Bedingung für das Inkrafttreten des Waffenstillstands – zu ermöglichen.
In Rom kamen gestern Vertreter der erweiterten Bosnien-Kontaktgruppe zusammen, um über den Wiederaufbau auf dem Balkan zu beraten. US-Chefunterhändler Richard Holbrooke sagte zum Abschluß des Kontaktgruppentreffens, er sehe „Chancen für einen wirklichen Waffenstillstand“ in Bosnien. Er warnte aber vor überzogenen Erwartungen und erklärte, der Streit zwischen Kroatien und den Serben um Ostslawonien könne den Friedensprozeß wieder zum Scheitern bringen.
In Williamsburg im US-Bundesstaat Virginia verständigten sich die Nato-Verteidigungsminister am Donnerstag darauf, rasch eine multinationale Friedenstruppe für Bosnien aufzustellen, einigten sich aber noch nicht auf eine Einbeziehung Rußlands. Hierüber bestanden zwischen Washington und Paris unterschiedliche Auffassungen. Frankreichs Verteidigungsminister Charles Millon schlug vor, eine französische Division könnte mit einer russischen Brigade zusammenarbeiten, ohne daß die Russen ein Veto- oder Interventionsrecht hätten. Die US-Regierung setzte sich hingegen dafür ein, russische Einheiten mit der Hilfe für die Flüchtlinge und dem Aufbau der Infrastruktur zu betrauen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen