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Letzte Ölung abgesegnet

Spaniens Werftindustrie versucht, ihre Krise zu überwinden – mit 2,2 Milliarden Mark Subventionen. 3.850 Arbeitsplätze fallen weg  ■ Aus Madrid Reiner Wandler

Nach monatelangen Protesten mit Barrikaden und Straßenschlachten in Spaniens Küstenstädten haben sich Gewerkschaften und staatliche Werftenholding (Aesa) überraschend auf einen Sanierungsplan geeinigt. Was übrig bleibt ist ein zur Unkenntlichkeit zusammengeschrumpfter Rest des einstigen Traditionssektor der spanischen Metallindustrie, der in den nächsten Jahre seine internationale Konkurrenzfähigkeit unter Beweis stellen muß.

Aesa wird 3.850 Arbeitsplätze von insgesamt 10.500 abbauen. Das soll durch eine Vorruhestandsregelung erreicht werden. Arbeiter über 55 Jahre gehen mit 79 Prozent ihres heutigen Lohnes nach Hause. Fast eine Milliarde Mark wird das kosten. Die zu Anfang vorgesehen 2.000 zusätzlichen Entlassungen mit Hilfe freiwilliger Auflösungsverträge sind vom Tisch. Mehr noch. Die Gewerkschaften setzten durch, daß ab 1998 1.200 junge Arbeiter neu eingestellt werden, sofern die Werften bis dahin schwarze Zahlen schreiben. Drei kleinen Werften in Asturien, Galizien und Cantabrien werden privatisiert. Davon betroffen sind weitere 900 Arbeiter.

Andalusien kommt am schlechtesten weg. Die Südregion wird 1.200 Arbeitsplätze einbüßen. Die Werft in Sevilla mit 670 und Cadiz mit 615 Beschäftigten, die zuerst ganz geschlossen werden sollten, verlieren die Hälfte ihre Belegschaften. Puerto Real wird 600 der 2.000 Arbeiter entlassen.

Dieser Plan soll den Sektor buchstäblich in letzter Minute retten. Ein Abkommen der EU und der OECD verbietet ab 1996 jegliche staatliche Subvention. Spanien, Portugal und Belgien bekamen eine gesonderte Gnadenfrist bis 1998 eingeräumt. Die 2,2 Milliarden Mark, die jetzt aus öffentlichen Töpfen zufließen, sind die letzten.

Für Carlos Martinez de Albornoz, den Chef der Aesa, die in den letzten vier Jahren zwei Milliarden Mark Verluste einfuhr, stehen die Schuldigen fest: „Japan und Korea sind dank staatlicher Subventionspolitik und einer hohen Produktivität in der Lage, die Preise zu drücken. Sie zwingen so die anderen Länder, unter Kosten zu verkaufen.“ Ein koreanischer Arbeiter verdient nur 70 Prozent dessen, was sein spanischer Kollege am Ende des Monates nach Hause trägt. Dafür arbeitet er jährlich 2.800 Stunden, sein spanischer Kollege nur 1.700. Deshalb sieht Aesa auch für diejenigen Opfer vor, denen der Schiffsbau weiterhin Brot und Arbeit bieten wird. Tarifverhandlungen werden ausgesetzt, bis der Konzern wieder schwarze Zahlen schreibt. Die Arbeitszeit soll flexibilisiert werden. 40 Prozent Produktivitätssteigerung erhofft sich Aesa.

Spaniens Werftindustrie geriet 1973 in Folge der Ölkrise erstmals ins Schlingern. Doch Diktator Franco zog es vor, die gesamten Devisenvorräte des Landes für überteuertes Erdöl auszugeben, statt die energieintensive Industrie zu sanieren. Jedes Schiff, das so vom Stapel lief, verschlang Unsummen an staatlichen Subventionen. Erst zehn Jahre später traute sich die frischgewählte Regierung von Felipe González, heilige Kühe zu schlachten. Zwei Drittel der 32.000 Arbeitsplätze wurden abgebaut. Danach schien es wieder bergauf zu gehen. Die Verluste sanken von 1,2 Milliarden Mark 1984 auf weniger als 250 Millionen in den Jahren 1990 und 1991.

Doch mit dem Niedergang der einheimischen Handelsflotte und der Krise des Fischfangs wendete sich das Blatt abermals. Heute produziert man fast ausschließlich für den ausländischen Markt. Während in den achtziger Jahren nicht einmal die Hälfte der Produktion in den Export ging, waren es im vergangenen Geschäftsjahr 95 Prozent. Um bei der Konkurrenz aus Fernost mitzuhalten, verlagerte sich Aesa auf den High- Tech-Sektor. Marktführer darf man sich im Bereich der Öltanker- Shuttles nennen. Diese schnellen Schiffe bedienen meist unter norwegischer Flagge Kurzstrecken in der Nordsee. Das rauhe Meer verlangt besondere Stabilität. Die eigens entwickelte doppelte Bordwand gegen Lecks im Öltank kommt mittlerweile auch bei Chemietransportern zum Einsatz.

Die Aesa will sich in Zukunft an einer gesamteuropäische Werftenpolitik orientieren. Immerhin 21 Prozent des Weltmarktes hält die Europäische Union, ebensoviel wie Korea. Der Europäische Verband der Werftindustrie Awes mobilisert seit langem gegen die japanischen und koreanischen Subventionen und versucht unter anderem, die Regierung in Seoul davon abzubringen, ihre Werftenkapazität von 20 auf 30 Prozent des Weltmarktes auszubauen. Im Tausch für eine Streichung der staatlichen Hilfen boten die Europäer den Koreanern sogar einen möglichen Beitritt zur OECD an. Nicht ohne gleichzeitig zu drohen: Falls Seoul nicht nachgebe, werde man in Erwägung ziehen, Schiffe made in Korea künftig in europäischen Häfen nicht mehr zu be- und entladen.

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